! יום הולדת שמח , A freylekhn geburtstog! !عيد ميلاد سعيد
77 Jahre Israel. Die Zeiten sind denkbar schlecht. Am 07. Oktober 2023 griff die Hamas Israel an und tötete 1182 Menschen, weil sie jüdisch sind oder sie sie für jüdisch hielt. Die Anhänger der Hamas begehen geschlechtsbezogene Gewalt, die seitdem immer wieder von vermeintlichen Feminist:innen weltweit geleugnet wird. 251 Menschen wurden als Geisel genommen. Bis heute sind nicht alle frei.
Seitdem befindet sich Israel in einem Krieg gegen die Hamas, deren zivilen Opfer niemanden kalt lassen sollten, egal wer sie verursachte. Wir wissen von den israelischen Gefangenenlagern, deren Insass:innen Schreckliches erzählen. Wir hören von manchen Kriegshandlungen Israels, deren Rechtfertigung sich uns nicht erklärt. Wir hören die Äußerungen der rechtsradikalen Teile der israelischen Regierung. Und wir verstehen, dass es für manch eine:n schwer ist, zu verstehen, warum wir dennoch an der Seite Israels stehen. Doch wir kommen nicht mit leeren Händen zu dieser traurigen Geburtstagsparty. In Zeiten wie diesen können wir nichts besseres schenken, als eine Begründung, warum wir finden, dass man an der Seite Israels stehen sollte.
- Feindschaft gegenüber Jüdinnen:Juden hat eine jahrtausendalte, traurige Tradition. Schon in der Antike wurden Jüdinnen:Juden bestimmte negative Eigenschaften zugeschrieben; der christliche Antijudaismus gab den Ressentiments eine religiöse Motivation. Der seit der frühen Neuzeit aufkommende Antisemitismus griff diese alten Stereotype auf und baute daraus ein ganzes Welterklärungsmodell. All die Widersprüche und all die Komplexität, die mit einer modernen Welt einhergehen, können innerhalb dieses Modells aufgelöst werden, in dem es einen Schuldigen gibt – „den Juden“2. Die gesellschaftlichen Verhältnisse im Kapitalismus sind zwar menschengemacht, sie erscheinen den Menschen aber ganz natürlich. Hinter Waren und Arbeit steckt aber immer ein gesellschaftliches Verhältnis, eine Beziehung zwischen Menschen. Weil diese Beziehungen wie Eigenschaften der Waren wirken, erscheinen die gesellschaftlichen Zusammenhänge unsichtbar. Die Verhältnisse verselbstständigen sich. Deshalb entstehen in der kapitalistische Produktionsweise Denkweisen, die die Prinzipien dieser Produktionsweise verschleiern und stattdessen verkürzte, vereinfachte Erklärungsmuster liefern. Ein Nährboden für die mörderische Ideologie Antisemitismus.
Die Konsequenz für die Antisemit:innen ist daher, „den Juden“ einfach auszulöschen und damit vermeintlich alle Widersprüche, alle Komplexität in der modernen Welt aufzuheben. Und so geschah es und folglich kann es wieder geschehen3. Wir sehen heute, wie mit Israel – dem Juden unter den Staaten – umgegangen wird. Israel – in Wahrheit ein kleines Land, die einzige verfassungsrechtliche Demokratie im Nahen Osten (die es hoffentlich bleibt und es kommen hoffentlich weitere dazu) – wird immer wieder als schuldig an Krisen in der Region gebrandmarkt, die es auch schon gab, bevor es überhaupt Israel gab. Die einzige Konsequenz daraus für die Antisemit:innen? Die Auslöschung Israels. Um Juden:Jüdinnen vor diesem ewig alten, katastrophalen Welterklärungsmuster zu schützen, braucht es in einer aus Nationalstaaten bestehenden Welt einen sie schützenden Nationalstaat. Denn während Jüdinnen:Juden überall sonst auf der Welt auf den Wohlwollen einer nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft angewiesen sind, garantiert ihnen Israel jederzeit das Recht, dorthin einwandern zu können. Solange auch dieser Schutzraum aus antisemitischen Gründen immer wieder ausgelöscht werden soll, müssen wir an der Idee Israels und seiner Selbstverteidigung festhalten! - Was wir (wirklich aller-)spätestens seit dem 07. Oktober 2023 wissen ist, dass auch Linke vor dem Antisemitismus nicht gefeit sind. Auch Linke neigen dazu, sich vereinfachte Erklärungsmuster für den Kapitalismus zu suchen. Wir sehen viele sich als linksradikal verstehende Gruppen und Personen, die es nicht schaffen, gesellschaftliche Verhältnisse und ihre Genese zu überblicken. Der Kapitalismus wird nicht als gesellschaftlich gewachsenes Verhältnis von Ausbeutung und Herrschaft betrachtet (welches unbedingt abgeschafft gehört!), stattdessen werden dringend Schuldige gesucht. Sie verstehen nicht oder wollen nicht verstehen, dass es nicht die Gier oder der böse Wille von Reichen, den Chefs oder „denen da oben“ ist, die dieses System am Laufen halten. Stattdessen wird fleißig personifiziert. Schuld sind die Banker, die Kapitalisten mit ihren gierigen Klauenhänden…upsi. Ihr seht: von personifizierter und damit vereinfachter Kapitalismuskritik ist es nicht weit zum Antisemitismus. In der Antisemitismusforschung spricht man hier auch von einer „Gelegenheitsstruktur“. Heißt, solche verkürzten linken Welterklärungsversuche schaffen eine Gelegenheit für antisemitisches Denken, weil sie strukturelle Ähnlichkeit mit ihm haben. Leider sehen wir eine zunehmende Unterstützung dieser verkürzten Kapitalismuskritik innerhalb der Linken. Lest Marx! Oder vielleicht einen der Texte, die wir euch unten verlinken.
Auch in der Unterstützung propalästinensischer Demos sehen wir auf Seiten der Linken ebenfalls (wirklich aller-)spätestens seit dem 07. Oktober 2023 wahrlich Erschütterndes. Von Rufen nach Intifada, Demonstrationen mit Islamist:innen und Vernichtungsphantasien gegen Israel. Und auch einer Betrachtung der Kufiya in ihrem historischen, nationalistischen und anti-israelischen Kontext wird sich vehement verweigert und sie als reines kulturelles Symbol essentialisiert oder als Symbol des „Widerstands“ glorifiziert. Niemand soll daran gehindert werden, sich kritisch mit einem Krieg oder der Geschichte eines Staates zu beschäftigen. Niemandem von uns stößt es auf, wenn Linke Menschenrechtsverletzungen anklagen. Doch Aktivismus, der von Verzerrungen, vereinfachten Erklärungen oder der Ummünzung antisemitischer Stereotype auf Israel nur so strotzt, ist keine emanzipatorische Kritik. Wer ernsthaft Dinge wie „Palestine will free us all“ oder „From the River to the Sea…“ nicht als Antisemitismus erkennen will, der:die muss schon viele Definitionspurzelbäume schlagen.
Es braucht Israel, weil scheinbar sogar diejenigen, die an der Seite der Unterdrückten stehen wollen, sich nicht mit ihrem eigenen Antisemitismus und nicht mit Islamismus auseinandersetzen wollen.
Gegen eine Linke, die Juden:Jüdinnen die Solidarität verweigert.
Gegen eine deutsche Linke, die vergessen hat, was ihre Großeltern von 1939 -1945 getan haben und die die Kontinuitäten des NS nur da erkennt, wo es nicht unbequem für’s eigene Selbstbild wird. - Wer sind die Feinde Israels? Dass Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, dürfte klar geworden sein. Der Antisemitismus kommt von Rechts, er kommt von Teilen der Linken, er kommt von Islamist:innen. Wichtig ist es, den Kampf gegen unterschiedliche Formen des Antisemtismus nicht gegeneinander auszuspielen. Wer den linken Antisemitismus nicht benennen möchte, ist genauso lost wie solche die vom „importierten Antisemitismus“ sprechen.
Für Israel sind die aktuell größte Bedrohung Islamist:innen und ihre Regime, allen voran der Iran und die mit ihm verbündeten Terrorgruppen wie Hamas, Hisbollah und die Huthi-Rebellen im Jemen. Kern des islamistischen Regimes im Iran ist Antisemitismus, der gekennzeichnet ist durch aggressive antisemitische Rhetorik, die Relativierung des Holocausts und offene Vernichtungsdrohungen gegen Israel. Um diese Drohung in die Tat umzusetzen, unterstützt der Iran islamistische Organisationen wie die Hamas oder Hibollah. Auch islamistische Verbände wie die Muslimbruderschaft, Hizb Ut-Tahir oder die Grauen Wölfe zeichnen sich durch ihren Antisemitismus und ihre offene Feindschaft gegen Israel aus. Als Linke stellen wir uns gegen Islamismus – gegen den antisemitischen Vernichtungswahn und damit an die Seite Israels. - Der Gründungsgedanke Israels war es, Juden:Jüdinnen eine sichere Zuflucht zu bieten. (Wirklich aller-)Spätestens seit der Shoah wurde klar, dass es diese schon lange gebraucht hätte. Israel ist der einzige Staat, der eine vernünftige Gründungsidee vorweisen kann. Es ist sicherlich eingehend, dass es nach dem 2. Weltkrieg, nach der Shoah, Formen der jüdischen Emanzipation brauchte. Es brauchte eine Möglichkeit ein „Nie wieder“ zu gewährleisten. Das war und ist Israel! Ein schützender Staat vor dem eliminatorischen Antisemitismus, ein Ort, an dem Leib und Leben von Juden:Jüdinnen nicht an das Wohlwollen der Mehrheitsgesellschaft gebunden ist. Judith Butler und andere Theoretiker:innen erklären das diasporische Judentum als hinreichende Möglichkeit dafür. Setzen andere Juden:Jüdinnen in die Verantwortung, durch die Erfahrung des Exils andere verfolgte Gruppen besser nachvollziehen zu können. Was Judith Butler und andere Antizionist:innen damit verkennen, ist die Erfahrung des jüdisch Seins im Land der Täter oder in Osteuropa. Da wo jeder Ecke ein Erinnerungsort sein könnte, da wo man auf Preisgabe seiner:ihrer jüdischen Identität, sofort ein „Entschuldigung!“ oder ein „Opa war Kommunist!“ entgegengesetzt bekommt. Da wo die Auslöschung jüdischen Lebens allpräsent ist. Die Möglichkeit diesen Belastungen der Diaspora entweichen zu können, ist Israel. Israel ist das enthusiastische „Ja“ gegenüber jüdischem Leben nach einer ungleichen Zerstörung des Selben. Am Yisrael Chai!
Die konkrete politische Ausgestaltung des israelischen Staates war dabei schon immer Streitthema verschiedener zionistischer Strömungen. Unsere Solidarität mit Israel rührt nicht aus der israelischen Tagespolitik, sondern aus der Solidarität mit der Gründungsidee Israels. Nationalstaaten gehören abgeschafft, doch solange es welche gibt, solange es Antisemitismus gibt, braucht es Israel!
In diesem Sinne – nieder mit der Hamas! Nieder mit allen islamistischen Regimen!
Lang Lebe Israel – solange es Israel braucht!
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Weiterführende Texte und mehr, wenn ihr euch tiefer mit den vielen angeschnittenen Themen beschäftigen wollt:
„Was ist regressiver Antikapitalismus: Anmerkungen zum Unterschied zwischen Kapitalisten- und Kapitalismuskritik“ von Emanzipation & Frieden:
https://emafrie.de/wp-content/uploads/2015/12/15-12-21-EuF-Flyer-Was-ist-regressiver-Antikapitalismus_WEB.pdf
„Was ist Antisemitimus? Anmerkungen zur Wahnwelt des vernichtungsorientierten Antikapitalismus“ von Emanzipation & Frieden:
https://emafrie.de/wp-content/uploads/2015/12/15-12-21-EuF-Flyer-Was-ist-Antisemitismus_WEB.pdf
„Was ist Antizionismus? Anmerkungen zum Hass auf den Juden unter den Staaten“ von Emanzipation & Frieden:
https://emafrie.de/wp-content/uploads/2015/12/15-12-21-EuF-Flyer-Was-ist-Antizionismus_WEB.pdf
Zur israelischen Staatsgründung, zu innerlinken Konflikten rund um den Zionismus und zum Nahostkonflikt:
„Wie hälst du’s mit Israel: zum historischen Verhältnis der radikalen Linken zum Zionismus“, herausgegeben von der Antifa Désaccord Krefeld und dem Bündnis gegen Antisemitimus Köln:
https://adkr.noblogs.org/files/2023/12/radikalelinke-zionismus-broschuere-digital.pdf
https://archive.org/details/br-a-21-wie-haltst-dus-mit-israel
oder als Printexemplar im Infoladen Leipzig: https://ildb.nadir.org/o/3/Infoladen+Leipzig.html (Signatur: BR-A 21)
Lisa Frey: Verleugnet, verhöhnt, vergessen – zur mangelnden feministischen SOlidarität nach dem 7. Oktober, Vortrags-Aufzeichnung zum Anhören: https://open.spotify.com/episode/68qXRHAcSgAkT2dAziZEp6
Stephan Grigat: Vom iranischen Atomabkommen zum 7. Oktober – warum deutsche Politik für die aktuelle Eskalation im Nahen Osten mitverantwortlich ist, Vortrags-Aufzeichnung zum Anhören:
https://open.spotify.com/episode/1Tki389QSHiOtkJiLQoa0P
Lothar Galow-bergemann: Was ist Antisemitismus? Was ist Israel?, Vortrags-Aufzeichnung zum Anhören:
https://open.spotify.com/episode/3hY7KXiyNnFrqW1rmtI5G6
Oliver Vrankovic: Israel nach dem 7. Oktober – eine Innenansicht, Vortrags-Aufzeichnung zum Anhören:
https://open.spotify.com/episode/2erq0FRmIqjbdWL9l1Pbdd
Lothar Galow-Bergemann: Was ist israelbezogener Antisemitismus?, Vortrags-Aufzeichnung zum Anhören:
https://open.spotify.com/episode/51zyJ2Gpr5V1rre99ZyrKH
„Die Mullahs und der Nahe Osten“, Redebeitrag auf unserer Kundgebung vom 14.05.2024:
https://reclaimantifa.noblogs.org/post/2024/07/25/redebeitrag-einer-einzelperson-auf-der-kundgebung-am-14-05-2024/
Redebeitrag des Referats Politische Bildung Dresden zur Staatsgründung Israels: https://www.instagram.com/p/DJov0Eys8wK/?img_index=5&igsh=MXgxcXl3MHV2cHVseA%3D%3D
