Kundgebung für einen emanzipatorischen 8. März

Heraus zum 8. März!

Wir sind ein Zusammenschluss verschiedener linker Gruppen Leipzigs und laden herzlich zum Emanzipatorischen 8. März auf der Kolonnadenstraße ein.

Wir haben uns zusammengeschlossen, weil wir den 8. März zurückwollen. Einen 8. März mit vielfältigen, emanzipatorischen, konkreten, utopischen, kämpferischen, feministischen Forderungen.

Gründe, an diesem und jedem anderen Tag laut zu sein, gibt es mehr als genug.

114 Femizide im letzten Jahr, 157 818 Opfer häuslicher Gewalt im Jahr davor, davon über 70% Frauen. Und das sind nur die Hellfeld-Zahlen, deren Meldung Eingang in die Statistiken findet.

Die Familie ist für viele Frauen, transgeschlechtliche Menschen, intergeschlechtliche und nonbinäre Personen ein potenziell gefährlicher Raum. Ausreichend Plätze in Frauenhäusern gibt es kaum, Femizide werden noch immer als „Beziehungstaten“ bagatellisiert, die Istanbul Konvention nicht annähernd erfüllt. Frauen und Queers mit Behinderung sind häufig in hohem Maß von Gewalt betroffen.

Doch patriarchale Gewalt beginnt nicht mit tätlichen Angriffen, beginnt nicht mit Mord. Patriarchale Gewalt beginnt viel kleiner. Im Alltag. Bei „Witzeleien“ der Kollegen, über die man gefälligst zu lachen hat, bei Blicken und Sprüchen in der Straßenbahn, bei Männern, die sich weigern ihrer Verhütungsverantwortung gerecht zu werden, bei aufdringlichen Chatnachrichten, bei der immer mitlaufenden Angst auf Heimwegen, bei Tätern, die auf Bühnen beklatscht werden, während ihre Opfer Morddrohungen erhalten, und schlussendlich in Parlamenten und Gesetzgebungen. Es zeigt sich wieder einmal, dass im Kampf um ein sicheres Leben kein Verlass auf den Staat ist.

Und selbst da wo behauptet wird, Gleichberechtigung sei bereits erreicht, gibt es noch viel zu tun. Mittlerweile sind beispielsweise fast alle Frauen erwerbstätig, das klassische Modell von Hausfrau und Ernährer ist in der Theorie unbeliebt geworden. Und doch sprechen die Zahlen aus der Praxis eine ganz andere Sprache. Demnach leisten Frauen durchschnittlich jeden Tag vier Stunden und 13 Minuten unbezahlter Fürsorgearbeit – Männer etwa die Hälfte. Leben Kinder mit im Haushalt wird die Schere noch größer, in Paarhaushalten verrichten Mütter dann schon 83,3% mehr Fürsorgearbeit als Väter. Auch die Verteilung von Elternzeit spielt hier eine große Rolle, mehr als 90% entfällt dabei auf Frauen.

Das ist nicht nur ungerecht, sondern hat auch real spürbare ökonomische Konsequenzen. Frauen arbeiten noch immer in schlechter bezahlten Berufen, häufiger in Teilzeit, seltener in Führungspositionen. Das sorgt für wirtschaftliche Abhängigkeit vom besser verdienenden Partner und drohende Altersarmut. Schon heute sind mit 20% der Ü65-Jährigen knapp eine Million mehr Frauen armutsgefährdet als gleichaltrige Männer.

Mehr noch – für Frauen bedeutet Armut auch etwas anderes als für Männer. Denn finanzielle Abhängigkeit spielt eine wichtige Rolle bei der Frage, wie Frauen in Beziehungen mit gewalttätigen Männern geraten und ob sie sich aus diesen befreien können. Ökonomische Machtverhältnisse und gesellschaftlich zugewiesene Tätigkeitsfelder halten ein sexistisches Anspruchsdenken in (Partnerschafts-)Beziehungen aufrecht, welches eigentumsähnliche Formen annehmen kann. Durch staatliche Absicherung des hierarchischen Geschlechterverhältnisses erhalten Männer die Verfügungsmacht über die Zeit und den Körper von Frauen zur Verrichtung von Care-Arbeit. Solange unter dem Begriff des „Familienversorgers“ nicht die emotionale Sorgearbeit, Erziehung und Pflegearbeit gefasst wird, bleibt die Entscheidungs-, und Handlungsmacht bei dem ökonomisch stärkeren Partner.

Und selbst bei gleicher Arbeit zur gleichen Arbeitszeit verdienen Frauen noch immer im Schnitt 6% weniger als ihre männlichen Kollegen, leisten aber in der privaten Sphäre auch mit Vollzeitberufen täglich 1,6-mal soviel Fürsorgearbeit wie in Vollzeit beschäftigte Männer.

Für uns ist daher klar: Küche, Ehe, Vaterland? Gehören abgeschafft!

 

Schlechtes Wetter, harte Zeiten.

Laut aktuellen Umfragen wird sich ein Drittel aller wahlberechtigten Erwachsenen in Sachsen bei den kommenden Kommunal- und Landtagswahlen für eine faschistische Partei entscheiden.

Exemplarisch für die Normalisierung des Rechtsrucks sind die kürzlich bekannt gewordenen „Remigrationspläne“ von Werteunion, AfD und langjährigen FaschoaktivistInnen. Solche Treffen lösen zu Recht Empörung aus, und finden doch gleichzeitig zu einem erstarkenden regressiven Antifeminismus, etablierter Queerfeindlichkeit und einem wahrnehmbaren Genderbacklash mit Retraditionalisierung der Geschlechterrollen statt. Ungeachtet der sich daraus ergebenden drohenden Gefahr, erleben wir seit einigen Jahren starke staatliche Repression gegen radikale Linke, die auch in den kommenden Jahren nicht abreißen wird. Angriffe auf feministische Errungenschaften und antifaschistischen Aktivismus liegen daher im Zentrum unseres politischen Widerstandes und mehr denn je braucht es entschlossene Bündnisse und Strategien, fernab von Großdemos und inhaltslosen Lippenbekenntnissen a la „Nie wieder!“. Siempre antifa!

Doch auch Parteien fernab von CDU und AfD beteiligen sich am gesellschaftlichen Rechtsruck. So zeigte sich die rot-grüne Bundesregierung kürzlich sehr zufrieden mit der Verschärfung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Erstmals sollen Asylverfahren bereits an den EU-Außengrenzen durchgeführt werden, Geflüchtete werden somit am Einreisen in die EU gehindert. Dazu sollen Asylzentren, also Auffanglager mit haftähnlichen Zuständen, in Grenznähe entstehen, in denen mittels eines „Screenings“ die Identität von Schutzsuchenden vor Ort überprüft und ihre Aufenthaltschancen eingeschätzt werden. Diese Gesetzesänderung stellt die massivste Verschärfung des Asylrechts seit Gründung der EU dar. Die humanitäre Katastrophe an den europäischen Außengrenzen wird sich verschlimmern. Ist dieser immense Abbau von Menschenrechten im Flüchtlingsschutz die versprochene „feministische Außenpolitik“?

 

Für deine, meine, unsere Schwestern!

Unsere Solidarität macht an Ländergrenzen nicht halt. Zahlreiche Kriege, gesellschaftliche Krisen und komplexe politische Entwicklungen erschüttern uns und stellen uns als Bewegung vor große Herausforderungen.

Wir solidarisieren uns mit den mutigen Menschen, die unter Lebensgefahr im Iran für eine Befreiung vom islamistischen Mullah-Regime kämpfen. Wir stehen solidarisch mit Frauen und queeren Menschen in Afghanistan, mit Ezid*innen, mit kurdischen Aktivist*innen und Betroffenen in der Ukraine, die unter als Kriegswaffe eingesetzter sexueller Gewalt leiden.

In Mexiko werden tausende Frauen jährlich ihres Geschlechts wegen ermordet, in El Salvador werden Frauen nach Fehlgeburten ins Gefängnis geworfen. In den USA droht die Wiederwahl von Donald Trump und schon jetzt sehen sich die dort lebenden Frauen und anderen Betroffenen durch regressive Gesetzgebung mit den potenziell tödlichen Auswirkungen von fehlender körperlicher und sexueller Selbstbestimmung konfrontiert. Deshalb werden wir nicht müde zu betonen, dass unser gemeinsamer Kampf erst dann gewonnen sein kann, wenn universalistische Rechte gelten und alle Frauen und Queers frei sind! Dies ist insbesondere mit dem Blick auf die aktuelle weltpolitische Lage entscheidend, kann man doch überall einen massiven Ruck hin zum Konservativen, hin zum Rechten beobachten. Und auch die radikale Linke ringt in diesen krisenhaften Zeiten um Antworten auf komplexe Fragen. Doch in einem sollte sie sich einig sein: Die Lösung der Probleme findet sich weder in autoritären Strukturen noch im Zusammenschluss mit ideologisch regressiven Gruppen und Bewegungen.

 

Me too unless you`re a jew?

Dieses Jahr begehen wir den ersten 8. März nach dem 7. Oktober 2023, dem verheerendsten Angriff auf jüdisches Leben seit 1945.

Der Angriff der radikalislamistischen Terrororganisation Hamas, sowie unterstützenden Vereinigungen wie der Islamische Jihad in Palästina (PIJ), auf das Nova-Musikfestival und umliegende Kibbuze ist nicht nur ein antisemitischer, sondern auch ein gezielt misogyner Angriff auf Frauen und auf freiheitliches Leben gewesen. Die 134 Geiseln, die sich noch immer in Gefangenschaft befinden, – nicht nur die Frauen – sind dieser Gewalt ausgesetzt. Wir möchten den 8. März nutzen, um die sofortige Freilassung aller Geiseln zu fordern! #bringthemhomenow.

Gerade deswegen erfüllt uns der Umgang diverser vermeintlich linker Gruppen und Feminist*innen mit Entsetzen. Insbesondere die Positionen von Gruppen wie Zora, Pride Rebellion oder Young Struggle lassen uns fassungslos zurück. Wie Gruppen, die sich die Überwindung des Patriarchats auf die Fahne geschrieben haben, Überlebenden schwerster sexueller Gewalt mit derartigem Zweifel und Täter-Opfer-Umkehr begegnen können, scheint im Anblick ihrer sonstigen Positionen nahezu harmlos. Nicht nur, dass sie die Gewalt der Hamas als Akt der Befreiung verklären, sie fantasieren zudem eine sozialistische Revolution und sehnen sich mit Parolen wie „Yallah Yallah Intifida“ oder „From the River to the sea“ gezielt die Vernichtung jüdischen Lebens im Nahen Osten herbei.

Wir fordern ein Ende des Leids der palästinensischen Zivilbevölkerung unter dem Krieg in Gaza und der Herrschaft islamistischer Gruppen. Wir trauern um die über 20.000 Zivilist*innen, die bei dem Konflikt bisher ums Leben gekommen sind. Auch auf palästinensischer Seite sind es immer wieder und vor allem Frauen, die die Leidtragenden darstellen. Deshalb können wir als Feminist*innen kein gemeinsames Ziel mit antiemanzipatorischen Kräften ausmachen, die Zivilist*innen bewusst als menschliche Schutzschilde nutzen. Hass gegen Frauen und Queers ist fundamentaler Bestandteil der regressiven Ideologie der islamistischen Herrscher.

Wer islamistische Regime und Gruppen widerspruchsfrei als Freiheitskämpfer stilisiert, negiert nicht nur das Leid vor Ort, sondern missachtet auch die Gefahr religiöser Fundamentalist*innen. Wie real diese Gefahr auch abseits von Krieg und Terror ist, zeigt sich auch in den massiv gestiegen Taten antisemitischer Gewalt hierzulande. Weltweit findet zudem online eine Welle von antisemitischer Desinformation, Deligitimierung des israelischen Staates, Normalisierung von Genozidaufrufen am jüdischen Volk und islamistischer Radikalisierung statt.

Es bleibt Aufgabe einer radikalen Linken, Religion kritisch zu hinterfragen und die darunterliegenden misogynen, queerfeindlichen und oft antisemitischen Absichten zu erkennen und ihnen etwas entgegenzusetzen, ohne im Umkehrschluss Einzelpersonen rassistischer Abwertung auszuliefern.

 

Feminismus? Nur universell!

Ein 8. März im Zeichen des Kampfes für eine befreite Gesellschaft für alle, und nicht in dogmatischer Hingabe zu einem selektiven Pseudo-Feminismus, kann nur dann gelingen, wenn eine Unterwanderung feministischer Veranstaltungen durch Kader-Gruppen, die sich entgegen linker universalistischer Werte positionieren, nicht unwidersprochen bleibt.

Deswegen wollen wir es nicht hinnehmen, dass in der Orga der Demonstration des 8M-Bündnis Leipzig Gruppen sitzen, die in ihrem sogenannten „Revolutionären Block“ Vernichtungsfantasien auf die Straße tragen, dabei auch islamistisch-fundamentalistischen Forderungen den Weg bereiten und diese im Rahmen einer feministischen Großveranstaltung zu normalisieren gedenken.

Wir rufen daher auch insbesondere die Leipziger Polit-Landschaft auf, ihre Mitwirkung am Bündnis und der Demonstration kritisch zu hinterfragen.

 

Wir laden euch ein, mit uns einen 8. März zu begehen, der seiner ursprünglichen Idee gerecht wird.

Wir wollen dabei nicht die individualisierte vermeintliche Verbesserung für einige wenige selbsternannte Girlbosses, wir wollen nichts anderes als die Befreiung aus patriarchalen, kapitalistischen, antisemitischen und rassistischen Zusammenhängen für alle! Tragt mit uns die Forderungen für ein selbstbestimmtes und freies Leben für alle vom Patriarchat Betroffenen auf die Straße!

Es wird eine kinderfreundliche Veranstaltung mit Spielecke und Kinderbetreuung.

 

Die Kundgebung ist offen für alle Altersklassen und Geschlechter und findet auf der Kolonnadenstraße, am 8. März 2024, von 15-19 Uhr statt. Weitere Infos folgen!

 

Unterzeichnet von:

apra, fantifa Leipzig, keine mehr Leipzig, outside the box – Zeitschrift für feministische Gesellschaftskritik, Junges Forum Leipzig, Pro Choice Leipzig, Utopie & Praxis, [k]appa, „Rassismus tötet!“ – Leipzig

Solidarität mit Israel. Gegen Antisemitismus! Redebeitrag vom AFBL

Seit dem mörderischen Angriff auf Israel durch die Hamas am 07.10. finden deutschlandweit beinahe täglich antisemitische Kundgebungen und Demonstrationen statt. Auch in Leipzig. Zum Beispiel demonstrierten am 18. November etwa 700 Antisemit_innen vom Rabet zum Augustplatz. Es wird freepalestine skandiert und Israel eines Genozids bezichtigt. Auch Parolen wie from.the.river.to.the.sea werden in Leipzig an Häuserwände gesprüht. Diese spricht Israel das Existenzrecht ab und will den jüdischen Staat von der Landkarte streichen.

Pro-Palästinensische Demonstrationen sind jedoch kein alleinig deutsches Phänomen. In London versammelten sich am 12.11. 300.000 Antisemit_innen und in Amman riefen die jordanisch muslimische Bruderschaft und linke Gruppen zu Protesten gegen Israel auf. Mit dem Blick auf Leipzig haben wir uns gefragt, wer die Organisationen und Akteure sind, die fast wöchentlich mit palästinensischen Flaggen und antisemitischen Parolen in die Leipziger Innenstadt laufen.

Die Gruppe Handala, die die bisher größte Demo am 18.11. organisierte, ist nach Selbstbeschreibung eine Leipziger Organisation aus Palästinenser_innen und deutschen Linken. Seit 2021 melden sie pro palästinensische Demonstrationen in Leipzig an und veranstalten Workshops und Sommerfeste. Die Gruppe ist nach der Comicfigur Handala benannt, die oft in BDS Kontexten verwendet wird. Handala zeigt ein palästinensisches Kind von hinten, mit kaputten Kleidern und ohne Schuhe, das die Passivität und Unschuld der Palästinenser_innen symbolisieren soll. Als Gegenbild wird Israel als schuldiger Initiator von Gewalt imaginiert. In der antisemitischen Bildsprache wird die Comicfigur Handala oft gezeigt, wie sie die israelische Flagge in Brand setzt oder Steine wirft. Israel wird als starker Aggressor dargestellt und Palästinenser_innen als arme, barfüßige Kinder, die sich nur mit bloßem Leib und nicht mit Waffen wehren können.
Kein Wort davon, dass Katar mindestens seit 2018 und der Iran seit Jahrzehnten die Hamas militärisch aufrüsten. Die Gruppe Handala sieht in dem auf pro Palestinesischen Demos gerufenen Spruch from.the.river.to.the.sea eine Dekolonisation und wünscht sich ein Ende einer vermeintlichen israelischen Apartheid. Die Apartheid-Lüge vergleicht den demokratischen Rechtsstaat Israel mit einem System der rassistischen Trennung von Bevölkerungsgruppen in Südafrika. Dieses Argument benutzten auch BDS Unterstützer_innen, um den Staat Israel zu delegitimieren.

Die Gruppe Handala organisierte seit dem 18.10 beinahe wöchentlich Demonstrationen vom Rabet in die Innenstadt und bewirbt diese auf Instagram. Außerdem wirbt sie mit Plakatierung in Imbissen, Geschäften und auf Straßen rund um die Eisenbahnstraße.

Schon 5 Tage nach dem Pogrom in Israel haben sich antisemitische linke Gruppe in Leipzig uneingeschränkt mit der Hamas solidarisiert. Die erste Demonstration nach dem Angriff auf Israel veranstaltete am 12.10. ein Bündnis aus der Gruppe Young Struggle, Zora und dem Kommunistischen Aufbau. Dort versammelten sich 150 Personen mit dem Motto #Der Kampf um Befreiung ist international.
Young Struggle ist eine antiimperialistisch sozialistische Jugendorganisation, die in mehreren Ländern Europas aktiv ist. Sie bezeichnet in ihrem Blog den Gazastreifen als Freiluftgefängnis, welches seit 2007 von der Außenwelt isoliert sei. Gemeint ist wohl, dass die Grenzen zwischen Israel und Gaza kontrolliert werden. Wie viele Grenzen auf der Welt. Dass viele Menschen aus Gaza in Israel arbeiten, Gaza selbstständig von den Bewohnerinnen verwaltet wird, dass Gaza im Süden eine Grenze zu Ägypten hat, davon kann die antisemitische Linke nicht sprechen.
Gerade der 07. Oktober hat gezeigt, wie notwendig ein Schutz Israels vor islamischen Terrorist:innen ist, eine komplett offene Grenze hätte das Pogrom sicherlich noch weiter verschlimmert.

Zora, als weiterer Organisator, ist eine antikapitalistische Frauenorganisation, die autoritär verhaftet und antisemitisch ist. Dies zeigt sich in ihrem Aufruf für den 12.10. in dem sie Palästina und Kurdistan in eine Reihe stellen und einen gemeinsamen Kampf illustrieren. Den Terror der Hamas vom 7.10. mit den kurdischen Kämpfen in Rojava zu verbinden ist nicht nur falsch, sondern auch eine absolute Frechheit gegenüber den Kurd:innen in Rojava. Kurd_innen, die sich gegen islamistisch und türkische Allmachtsphantasien zur Wehr setzen, in eine Reihe zu setzen mit eben jenen Islamisten, die von Regimen wie der Türkei und Iran politisch und finanziell unterstützt werden, ist nur in den Köpfen von naiven Antiimperialist_innen möglich, die die Welt in gut und böse teilen.

Neben den Gruppen gibt es auch Einzelakteure, wie Maik Nagler, der derzeit eine kommunistische Partei aufbauen will und jeden noch so antisemitischen Post bei Twitter repostet. Am 12. Oktober unterstützte er auf Twitter, die pro palästinensische Demo und forderte ein Ende einer von ihm imaginierten israelischen Besatzung. Pro israelische Demonstrierende sind für ihn rechte Nationalisten.
Der Kampf gegen Antisemitismus, auch in Form des Hasses auf Israel, sollte linker Konsens sein, ist er aber leider nicht. Das Tragen des Palituchs als linker Code für eine Solidarisierung gegen Israel ist dafür nur ein Beispiel. Der Staat Israel wird allzu oft als Projektion genommen, um sich gegen Jüdinnen und Juden zu äußern. Die menschenverachtende Hamas gar als Kämpfer für eine Freiheit gesehen. Was für eine Freiheit soll das sein? Die Freiheit, Frauen zu vergewaltigen? Die Freiheit, islamische Gesetze durchzusetzen und queere Menschen zu steinigen? Oder die Freiheit, so viele Jüdinnen und Juden zu töten, wie möglich?
Neben dem organisierten Antisemitismus dieser roten Gruppen in Leipzig tolerieren viele Linke auch beiläufig Antisemitismus – besonders aus migrantischen Communitys.
Einige Migrantinnen, gehen auf die Straße und sprechen Israel das Existenzrecht ab. Und weiße Deutsche unterstützen das, als wichtige migrantische Stimme. Oder schreiben so eine Meinung einer vermeintlichen Kultur zu, die man nicht verstehen könne. Politische Nicht-Weiße Menschen werden von deutschen Linken so romantisiert, paternalisiert und abgewertet.
Viele deutsche Linke sehen Migrantinnen als ihre Schutzbefohlenen an und behandeln sie wie kleine Kinder, die es einfach nicht besser wissen können. Die Personen, die am 12.10. und 18.11. in der Leipziger Innenstadt antisemitische Parolen riefen, sind jedoch Erwachsene, die für ihre Handlungen Verantwortung tragen. Sie sind in der Lage, sich politisch zu organisieren und zu demonstrieren. Eine antifaschistische Linke hat die Aufgabe, niemanden rassistisch zu entmündigen, sondern den Kampf gegen jeden Antisemitismus voranzutreiben.

Wer sagt, dass Antisemitismus in Deutschland keinen Platz hätte, lügt! Antisemitismus nimmt in Deutschland einen riesigen Raum ein. Gegen Israel zu sein, ist deutscher Mainstream. Jude wird als Schimpfwort benutzt. Jüdinnen und Juden werden alltäglich angegriffen. Holocaust Mahnmale und Gedenkstättenwerden mit Hakenkreuzen beschmiert. Eine Linke, die etwas auf sich hält, muss dagegen kämpfen und Israel als legitimen, jüdischen Staat, als Zufluchtsort vor antijüdischer Gewalt gegen die aktuellen Angriffe in Deutschland verteidigen. Antisemit_in ist, wer sich judenfeindlich äußert – da spielt die Herkunft keine Rolle.
Wir fordern alle auf, jegliche Zusammenarbeit mit antisemitischen Gruppen und Personen zu beenden. Das heißt zum Beispiel: keine Bündnisse, keine Räume für die reaktionären Gruppen in Leipzig. Keinerlei Kooperation mit Gruppen oder Personen, die die BDS-Kampagne unterstützen. Keine Partys mit antizionistischen DJs.
Wir als radikale Linke in Deutschland dürfen zu Antisemitismus niemals schweigen!
Hinter dem Ruf nach Frieden verstecken sich die Antisemiten.

Free Gaza from Hamas!

Redebeitrag „Perspektivbericht aus Israel“, Demonstration am 09.12.2023

Wenn man sich in Israel dieser Tage begegnet und nach dem Wohlergehen des jeweils anderen fragt, bekommt man oft dieselbe Antwort: en milim, es gibt keine Worte.
Nun sind zwei Monate seit dem 7. Oktober vergangen und noch immer fehlen uns die Worte. Man kann nicht sagen, dass Informationen fehlen würden; die sind in großem Ausmaß vorhanden, man muss nur die Zeitung aufschlagen, den Fernseher anschalten oder an Cafés und Geschäften vorbeigehen: Alle diskutieren über neue Entwicklungen der aktuellen Situation, über bisher unbekannte Gräueltaten, die jetzt ans Licht kommen, über die zivilen Opfer in Gaza, über Terrortunnel und über das Sicherheitsbudget für das Jahr 2024; das alles mit den Plakaten der Entführten im Hintergrund. 
 En milim, es gibt keine Worte. Was es aber gibt, so scheint mir, ist eine allumfassende Hilflosigkeit. Hilflosigkeit ist wohl ein integraler Bestandteil von Trauer, von persönlicher und kollektiver, und sie bringt die einen dazu, sich als Reservistinnen und Reservisten aufzuopfern und die anderen, sich dauerhaft mit dem schlechten Gewissen zu konfrontieren, dass man sich auf seinem Schreibtischstuhl, im Supermarkt oder auf dem Sofa befindet, während andere Menschen unter der Erde sitzen, unklar ist, ob sie genug zu essen bekommen, wie sie behandelt werden, wie viele von ihnen noch leben. Der „schwarze Samstag“ – so wird der 7. Oktober in Israel genannt – ist nun genau zwei Monate her, und eigentlich lässt sich noch immer nichts betrauern, denn wir sind mittendrin. Noch immer sitzen unschuldige Menschen in Geiselhaft, weil sie am 7. Oktober zur falschen Zeit am falschen Ort waren: Töchter, Mütter, Großmütter, Söhne, Väter, Großväter. 
Insgesamt geht es wohl um eine Hilflosigkeit gegenüber der Zufälligkeit des Lebens, vielleicht genauer: gegenüber der Zufälligkeit des Todes. Im Einzelnen hat jede Besucherin des Nova-Festivals, jeder Bewohner der Kibbuzim Nir und Nachal Oz, Kfar Aza und Be’eri, jede Ersthelferin, jede Soldatin und jeder Polizist es ganz sicher dem Zufall zu verdanken, jetzt am Leben zu sein. Andere Menschen, die in derselben Position genau dasselbe taten, haben – durch Zufall – nicht überlebt.
 Aber um was für eine Zufälligkeit handelt es sich hier genau? Immerhin geht es um einen wohl durchdachten Angriff, bei dem ca. 3000 Terroristen ins Landesinnere Israels eindrangen – ausgebildete Hamas-Kämpfer, aber auch Zivilisten –, um so viele Menschen zu töten, zu vergewaltigen, bei lebendigem Leib zu verbrennen, zu enthaupten und zu entführen wie nur möglich. Die genozidalen Aspekte scheinen unübersehbar. Und werden auf globaler Ebene gerade auch aufseiten der Linken – in Medien, Universitäten und der Politik – weitestgehend ignoriert. Im Hinblick auf die komplette intellektuelle und moralische Verwirrung vonseiten hochangesehener US-amerikanischer Universitäten schrieb die Hebrew University zu Beginn des Krieges: „You have failed us“. Man kann es kaum besser ausdrücken. „Us“ – das sind wir, Israelis, Jüdinnen und Juden, aber „us“ ist auch ein intellektuelles Kollektiv, diejenigen, die von Medien, Universitäten und Politik lernen wollen; deren Aufgabe darin besteht, verstehen zu wollen. „Us“, damit sind auch diejenigen gemeint, die dachten, Israel hätte seine Spezifik und exzeptionelle Position als jüdischer Staat weitestgehend überwunden und sich eingereiht in eine internationale Normalität, in eine Gruppe von Menschen und Staaten, deren moralischer Kompass in eine ähnliche Richtung weist. 
Genozid, ein Begriff, der einst unter Bezugnahme auf den Holocaust, auf das gegen Jüdinnen und Juden gerichtete und an ihnen durchgeführte Menschheitsverbrechen entwickelt wurde, scheint nun genau diese Gruppe aus dem Konglomerat potenzieller – oder auch tatsächlicher – Opfer auszuschließen. Während wir uns hier die ganze Zeit ohne Worte begegnen, werden an anderen Orten der Welt und in anderen Kontexten sehr wohl Worte gefunden, und die, die sie äußern, sind vor allem eins: sehr laut.
Es scheint zu gelten: Die besten Juden sind immer noch die toten; mit ihnen kann man sich – wenn auch mit Vorbehalten – solidarisieren. Und die lebenden? Die sterben auch irgendwann. Ob durch Zufall oder nicht.

Redebeitrag der Antideutschen Kommunisten Leipzig vom 09.12.23

Die Linke im Dritten Weltkrieg
Dieser Redebeitrag möchte über die Bedeutung des islamistischen Terrorangriffs am 7. Oktober für die geopolitische Weltlage aufklären und will erklären, welche Rolle eine emanzipatorische Linke mit universalistischem Anspruch dabei einzunehmen hat. Wenn Israel gegen antisemitische Terrorbanden kämpft, dann ist das sowohl Selbstverteidigung als auch eine Verteidigung unserer Freiheit und Sicherheit. Denn hinter den islamistischen Dschihadisten der Hamas, PIJ, Hisbollah, PFLP, Huthi, IS und weiteren Milizen stehen die Länder Iran, Türkei und Katar. Diese sind Kollaborateure der Achse Russland-China-Iran. Bekanntermaßen finanzieren und munitionieren die arabischen Regime Israels Feinde mit Waffen, Drohnen, Raketen, Knowhow, Medienpropaganda und Märtyrerrenten. Die Auslöschung Israels ist der einzige gemeinsame Nenner dieser sich feindselig gegenüberstehenden Theokratien. Hätten sie keinen gemeinsamen Feind, würde der religiös-politische Machtkampf zwischen Sunniten und Schiiten erbarmungslos ausbrechen. Die unablässigen Aggressionen gegen Israel verfolgen aber noch einen weiteren geopolitischen Zweck. Sie destabilisieren die gesamte Nahostregion. Dies dient der größeren Strategie die Nahostregion zur zweiten Kriegsfront zu machen in dem sich derzeitig anbahnenden Dritten Weltkrieg.
Um eine gemeinsame Kriegsstrategie zu besprechen, trifft sich dieser Tage Irans Präsident Raisi mit Putin in Russland. Ziel dieses Bündnisgesprächs ist auch die Ausweitung gegenseitiger Waffenhilfe. Im Gegenzug für Drohnen liefert das faschistische Russland den klerikal faschistischen Mullahs Hacker- und Geheimdienstinformationen zu Israel. Bereits das letzte Treffen im Juli 2023 galt diesem Pakt. Daraus resultierte eine Cyberattacke auf die Zaunsicherheitsinfrastruktur am 7.10., was die Al Aqsa Flut überhaupt erst möglich machte. Obwohl Russland iranische Drohnen mittlerweile selbst herstellt und weiterentwickelt, ist Putins Vernichtungskrieg gegen die Ukraine auf zusätzliche militärische, politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Iran, China, Nordkorea und Indien angewiesen (VAE und Saudi-Arabien versucht er derzeit noch als Partner zu gewinnen). Hinzukommt, dass die ukrainische Gegenoffensive mittlerweile gescheitert ist, weil der Wintereinbruch und die massive russische Geländeverminung bei gleichzeitiger Luftüberlegenheit es der Ukraine unmöglich macht Gebiete zurückzuerobern. Für die Verteidiger wird der zweite Kriegswinter eine noch härtere Mensch- und Materialschlacht bedeuten. Ebenso verheerender wird die psychologische Zermürbung der Zivilbevölkerung mittels russischer Flächenbombardements werden sowie ein sich radikalisierender automatisierter Drohnenkrieg.
Der neue faschistische Ostblock Iran und Russland führt seine Vernichtungsabsichten gegen die Ukraine und Israel unter der Rückendeckung weiterer autoritärer Länder durch. Die emanzipatorische Linke muss diese beiden Kriegsfronten als eine gemeinsame Bedrohung für die demokratisch-bürgerliche Zivilisation erfassen. Es bedarf dazu eines reformierten Begriffs von Antifaschismus auf der Höhe der Zeit. Dieser bedeutet keine Burgfriedenspolitik mit der westlich-kapitalistischen Produktionsweise, wenngleich dieser Antifaschismus vordergründig für die Verteidigung demokratischer Rechtsstaaten und universalistischer Menschenrechte einsteht. Denn die Unterstützung des Westens ist die Bedingung dafür, dass auch in Zukunft eine multipolare und regelbasierte Welt existiert, anstatt einem Recht des Stärkeren. Und nur unter dieser Bedingung sind die Ansprüche nach Emanzipation, Freiheit und einer Kritik der kapitalistischen Verhältnisse überhaupt denkbar.
Momentan jedoch bröckelt die westliche Allianz für die angegriffenen Länder ebenso, wie das Teilen der Hilfslieferungen zwischen beiden Kriegsfronten zu einer gefährlichen Konkurrenz unter den Verbündeten führt. Zur Freude Putins und Xi Jinpings macht sich in den westlichen Bevölkerungen allmählich eine Kriegs- und Sanktionsmüdigkeit breit. Außerdem ist die global herrschende Feindseligkeit gegen Israel ein berechenbares Kalkül, das zur Ablenkung von der eigentlichen Konfliktlage bestens geeignet ist. Insofern ist es das insgeheime Ziel der Achse des Bösen die Verbündeten Israels und der Ukraine politisch zu zerreiben, ihre Hilfsbereitschaft zu überlasten und aus dem entstehenden Chaos eine autoritär-faschistische Hegemonie zu begründen. Eine emanzipatorische Linke muss die neue Bedrohungslage des 21. Jahrhunderts erkennen und sich selbst sowie die Gesellschaft darüber aufklären. Wer aber stattdessen mit einer antiimperialistischen und antikolonialistischen Welterklärung des 19. und 20. Jahrhunderts die Gegenwart analysiert, hat einen verstellten Blick und macht sich zu einem nützlichen Idioten bzw. zu einem Kollaborateur des despotisch-faschistischen Lagers. Der Antifaschismus muss zudem in sein Denken einbeziehen, dass der Antisemitismus eine regressive Krisenlösung darstellt, die durch die kapitalistischen Verhältnisse stets aufs Neue reproduziert wird. Das heißt, es nehmen nicht nur die gesellschaftlichen Verwerfungen weiter zu, weil die Krise des Kapitalismus weiter voranschreitet, sondern, es nimmt auch die Gefahr für Terror und Krieg auf unserer Insel der Seligen zu. Zumindest dann, wenn wir nicht die Verteidigung der angegriffenen Nationalstaaten in diesem Krieg unterstützen. Damit nach der Niederschlagung des Faschismus eine kommunistische Alternative zur unpersönlichen Herrschaft des Kapitals gefunden werden kann. Denn wie sich leider gezeigt hat sind der israelische, wie auch der ukrainische Staat nicht in der Lage ihre Staatsbürger:innen zu schützen, sondern sie bedürfen der Solidarität der zivilisierten Welt. Den ersten Schritt zu ihrer Unterstützung machen wir heute, indem wir öffentlich und entschlossen gegen Desinformation, gegen Antisemitismus, gegen abstrakten Pazifismus und gegen politische Indifferenz auf die Straße gehen!

Redebeitrag von Utopie und Praxis Leipzig auf unserer Demonstration vom 9.12.2023

Den Anstoß, diesen Redebeitrag zu schreiben, gab ein Video auf Social Media, welches sich kurze Zeit später bereits als Falschinformation entpuppte. Ihr habt die Videos vielleicht auch in eure Timeline gespült bekommen. Bewohner des Gazastreifens, die angeblich in dessen Süden zu dutzenden auf die Straße gehen, weiße Fahnen und Laken wedeln und auf arabisch „das Volk will den Fall der Hamas“ rufen. So erfreulich solche Proteste in der aktuellen Situation wären – die Videos sind nicht nach dem 7. Oktober, sondern Ende Juli diesen Jahres im Norden des Gazastreifens entstanden. Dennoch ist auch das ein guter Aufhänger für diesen Redebeitrag, denn die Proteste gegen die Hamas, die es im Sommer auf den Straßen Gazas gab, lohnen sich einer näheren Betrachtung. Und zeigen außerdem, wie egal antiimperialistischen Linken ihr „unterdrücktes Volk“ ist, wenn nicht der jüdische Stadt, sondern die regierenden Islamisten als „Unterdrücker“ im Fokus stehen. Denn bemerkenswerterweise haben eben jene linken Gruppen dieser Stadt, die aktuell keine Woche vergehen lassen können, ohne eine Demo oder Veranstaltung in Solidarität mit „dem palästinensischen Volk“ und dessen „Befreiungskampf“ zu bewerben, anscheinend nichts von den Protesten mitbekommen oder sich dazu entschieden, sie nicht zu thematisieren. Keine Solidaritätskundgebung, kein Text, nicht mal ein lausiger Instagram-Beitrag. Dabei ging es den Protesten um bessere Lebensbedingungen in Gaza. Doch was waren die Auslöser der Proteste, was genau ihre Forderungen, welche Akteure stehen dahinter und wie reagierte die Hamas? Und will die Mehrheit der Menschen in Gaza eigentlich Frieden mit Israel? 
Ausgelöst wurden die Proteste durch den Tod eines Bewohners von Chan Yunis, der zweitgrößten Stadt des Gazastreifens, die sich in dessen Süden befindet. Shadi Abu Quta starb am 27. Juli 2023, weil lokale Behörden sein Haus abreißen ließen, während er sich noch darin befand und obwohl er beweisen konnte, das ihm das Haus gehört. Der Fall bekam auf Social Media schnell viel Aufmerksamkeit und es brachen erste, spontane Proteste aus. Für den 30. Juli dann riefen Aktivist*innen, ebenfalls über soziale Netzwerke, einen „Day of Rage“ aus, manche Accounts sprachen hochtrabend gar von einer „Revolution“. Die blieb aus, es fanden sich aber tausende Menschen zu mehreren Demonstrationszügen auf der Straße ein. Wie viele genau ist dabei mangels unabhängig berichtender Medien aus Gaza nicht zu beziffern. Es wurden Sprechchöre gegen die Hamas gerufen, palästinensische Flaggen gewehnt und in einem Fall auch eine Flagge der Hamas verbrannt. Hier intervenierten Sicherheitskräfte der Hamas und lösten den Protest auf, außerdem zerstörten Sicherheitskräfte Handys filmender Demonstranten und Journalisten und es brachen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Anhängern der Hamas aus. Die Hamas stürmte außerdem ein Krankenhaus in Rafah und verschleppte drei Oppositionelle, die dort behandelt wurden, nachdem sie bei den Protesten verletzt worden waren. Der 30. Juli sollte bereits der Höhepunkt der Proteste sein. Auch am 4. August kam es erneut zu Gaza-weiten Protesten, allerdings bereits von deutlich weniger Personen. Als ein paar Tage später wieder zu Protesten aufgerufen wurde, waren die Sicherheitskräfte der Hamas vorbereitet – an allen Orten, die als Startpunkte von Protestmärschen angekündigt gewesen waren, waren zivile und militärische Sicherheitskräfte und Polizei sehr präsent – schon Personengruppen ab zwei Personen wurde untersagt, an diesen Orten stehen zu bleiben, wie ein Aktivist der Internetzeitung The Times of Israel berichtete. Zumindest auf Social Media aber behielt die Bewegung in den darauffolgenden Tagen ein gewisses Momentum. 
Zentrales Thema der Proteste war dabei der akute Strommangel in Gaza. Die Bevölkerung leidete unter den ständigen Blackouts – die Hamas machte die schlechte Infrastruktur in Gaza, an der die israelische Blockade des Küstenstreifens schuld sei, für die Probleme bei der Stromversorgung verantwortlich. Aktivist*innen beklagen jedoch schon länger, dass das einzige Kraftwerk in Gaza, das zur Erzeugung von Strom eingesetzt wird, nie unter voller Kapazität produzierte – nur drei von vier Generatoren wurden genutzt. Ein lokaler Journalist eines Radiosenders rief daraufhin ein paar Wochen vor den Protesten die Kampagne #FourthGenerator ins Leben und äußerte Zweifel daran, dass die Hamas das Geld, dass sie von der Bevölkerung des Gazastreifens für die Stromerzeugung einsammelt, wirklich effektiv dafür einsetze, um die Menschen mit Elektrizität zu versorgen. Auch weitere Aktivist*innen und der Vorsitzende der Energiebehörde der Palästinenstischen Autonomiebehörde in Ramallah haben vorgerechnet, dass die Hamas einen Großteil des Geldes für andere Zwecke verwendet, da nur ein Bruchteil davon überhaupt nötig sei, um das Kraftwerk zu betreiben. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Zuletzt hatte es 2019 Proteste gegen die Hamas im Gazastreifen gegeben, als die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah gefordert hatte, dass Israel weniger Elektrizität in den Gazastreifen liefern solle, um die Hamas zu schwächen. Es zeigt sich also – Proteste gegen die Hamas stehen natürlich auch im Zusammenhang um den Konflikt um den Führungs- und Repräsentationsanspruch zwischen der Fatah-geführten Palästinensischer Autonomiebehörde und der Hamas. Die Hamas bezichtete die Protestierenden in diesem Sommer folgerichtig Agenten des Mossad oder der Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde zu sein. Inwieweit die Proteste sich positiv auf die Fatah oder auf andere, Palästinenserorganisationen bezogen ist dabei schwer zu sagen, da sie so diffus und dezentral und von kurzer Dauer waren. Einzig zwei kleinere, der PLO angehörende Parteien, die Palestinian Democratic Union und die Palestinian People’s Party, kritisierten die Hamas offiziell für ihr vorgehen gegen die Proteste – beides Parteien, die sich für eine Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967 einsetzen – beides Parteien von überschaubarer Relevanz.
Der im Exil in Kairo lebende Aktivist und Gründer des demokratischen Gaza Youth Committee Ramin Aman meinte im Sommer zwar, dass sich Menschen aus Gaza online nun offener gegen die Hamas positionieren als noch vor 5-10 Jahren. Und ganz grundsätzlich sollte es uns als radikale Linke nicht egal sein, wenn Menschen gegen eine Islamistische Terrorgruppe und für Grundversorgung auf die Straße gehen. Statt dem antiimperialistischen Gerede vom „Volkskampf“ oder „nationaler Befreiung“ auf den Leim zu gehen und damit genau das Gegenteil vom dem zu tun, was linksradikale Politik unserer Ansicht nach eigentlich sollte, nämlich das Individuum vom Zwangskollektiv des „Volkes“ zu befreien, lohnt es sich, Vorgänge wie die beschriebenen Proteste und deren Unterbindung durch die Hamas zu thematisieren. Gleichzeitig sollte man sich aber natürlich aber keine Illusionen machen: weder war die Herrschaft der Hamas durch die Proteste in diesem Sommer irgendwie gefährdet – die proklamierte Revolution blieb natürlich aus – noch ist jeder Gegner der Hamas ein Freund Israels. Und auch Positionen wie die Rami Amans, der Israel für das militärische Vorgehen gegen die Hamas nach dem 7. Oktober kritisierte, weil durch den Krieg Proteste gegen die Hamas verunmöglicht würden, zeigen, wie schnell auch vermeintlich progressive Akteurinnen und Akteure, die sich für die Belange der Menschen in Gaza einsetzen, an einen Punkt gelangen, an dem Israel die Schuld zugewiesen wird. Dass sich Israel nach dem 7. Oktober militärisch verteidigt, bleibt legitim. 
Und auch repräsentative Umfragen zur politischen Einstellung der Menschen in Gaza zeichnen eher kein hoffnungsvolles Bild. Laut einer Umfrage des US-Thinktanks Washington Institute for Near East Policy vom Juli diesen Jahres sehen 57% der Befragten die Hamas sehr oder eher positiv, 40% sehen sie eher oder sehr negativ. Noch mehr Zuspruch erhielt der Islamische Dschihad. Laut selbiger Umfrage fordern aber 50% der befragten in Gaza, die Hamas solle aufhören, die Zerstörung Israels zu proklamieren und stattdessen eine Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967 akzeptieren. Gewiss sind solche Umfragen mit Vorsicht zu genießen und zeichnen eher ein diffuses Bild, von einer mehrheitlichen Ablehnung der Hamas kann aber nicht gesprochen werden. Besonders die zwischen dem 31. Oktober und 7. November von Arab World for Research and Development durchgeführte repräsentative Befragung zeigt, wie groß die Unterstützung für den am 7. Oktober gestarteten Terrorangriff auf Israel anscheinend ist. Unter den Befragten, die zu etwa 60% in der West Bank und zu 40% im Gazastreifen leben, gaben 59% an, den Angriff voll zu unterstützen, 16% teilweise, lediglich 13% stellten sich gegen den Angriff. Unter den Befragten in der West Bank war die Unterstützung des Angriffs mit 68% dabei deutlich höher als in Gaza mit 47%. Auch die Zustimmung zu einer Zwei-Staaten-Lösung nehme merklich ab.
Es bleibt zu hoffen, dass es Israel gelingt, die Hamas militärisch zu zerschlagen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit danach irgendwie progressive Kräfte in Gaza eine Rolle spielen und ob die Protestbewegung des Sommers erneut aufflammt. Unsere Solidarität gilt den Aktivist*innen, die sich in Gaza oder im Exil ernsthaft gegen die Hamas, gegen den politischen Islam und für Frieden mit Israel einsetzen. Ebenso gilt unsere Solidarität dem jüdischen Staat, seiner Existenz, seinem Recht auf Selbstverteidigung und allen Jüdinnen und Juden weltweit. 
Antifa heißt Solidarität mit Israel! Free Gaza from Hamas!

Redebeitrag Basisgruppe Recherche Ost auf unserer Demonstration vom 9.12.2023

                                      
Liebe Freundinnen und Freunde, Liebe Genossinnen und Genossen, 
                                        
der Antisemitismus zeigt seit dem siebten Oktober weltweit erneut seine mörderische Fratze. Die pogromartigen Massaker der dschihadistischen Terrormiliz Hamas und ihrer Verbündeter an unschuldige ZivilistInnen haben eine weltweite antisemitische Mobilisierung in Gang gesetzt, deren Folgen in den kommenenden Monaten und Jahren noch gar nicht abzusehen sind. 
                                        
Seit dem siebten Oktober herrscht wieder Pogromstimmung, auch in Deutschland.
Und auch in Leipzig, wo seither Woche für Woche Hunderte für die Vernichtung Israels auf die Straße gegangen sind. 
                                        
Der Islamismus ist in der antisemitischen Internationalen längst zum Stichwortgeber geworden; zum Antreiber, zum Hegemon der antisemitischen Bewegung schlechtin! 
                                        
Auch in Deutschland treiben die Organisationen des weltweiten Islamismus immer größere Teile der deutschen Gesellschaft zu Hass und zu Gewalt an.
Sie deligitimieren und dämonisieren Israel. Sie pflegen doppelte Standards und feiern Angriffe der Hamas, während sie Israels Selbstverteidigung verurteilen. Sie sprechen dem jüdischen Staat die Existenzberichtigung ab. Sie verbreiten antisemitische Verschwörungsmythen von der jüdischen Weltverschwörung und rufen die islamische Umma zum Kampf auf. 
                                        
Islamistische Moscheegemeinden, Kulturvereine, Islamische Zentren und dergleichen mehr verbreiten seit Jahrzehnten einen immer virulenteren Antisemitismus.
Und diese Organisationen sind in Deutschland keine randständigen Phänomene. Nein, die drei größten islamischen Dachverbände Mili Görüsch, DITIB und der Zentralrat der Muslime vertreten rund ein Drittel der 5 Millionen Musliminnen in Deutschland. Sie verstehen sich selbst als Religionsgemeinschaften. Explizit beanspruchen diese drei großen islamischen Dachverbände, sich an der verfassungsrechtlichen Aufgabe der Gestaltung der grundlegenden Werte der Bundesrepublik Deutschland zu beteiligen. 
                                
Aber welche Werte vertreten die drei großen islamischen Dachverbände Mili Görüsch, DITIB und der Zentralrat der Muslime? Wie ist das Verhältnis dieser einflussreichen Organisationen zu Islamismus und Antisemitismus?
Keine der drei waren seit dem siebten Oktober in der Lage sich eindeutig von der Terrororganisation Hamas zu distanzieren. Ganz im Gegenteil: Sie sind Treiber der schrecklichen antisemitischen Mobilisierung, die sich seit zwei Monaten ungebremst durchs Land wälzt. 
                                        
Der Koordinationsrat der Muslime – das gemeinsame Öffentlichkeitsorgan aller drei großen Dachverbände – sprach einige Tage nach dem Massaker lapidar von einem Angriff der Hamas, bei dem es auf beiden Seiten zu Toten gekommen sei. Angesichts der anstehenden israelischen Selbstverteidigung forderten die Dachverbände dann einen sofortigen Waffenstillstand und stellten sich so schützend vor die Hamas – kein Recht auf Selbstverteidigung für Israel! 
                                        
In das gleiche Horn blies auch der Zentralrat der Muslime: Zwar verurteilte er sehr nebulös so genannte „Angriffe der Hamas auf Zivilisten“, forderte dann jedoch unmittelbar Israel auf, sich nicht zur Wehr zu setzen. Stattdessen machte die kurze Pressemitteilung auf eine vollkommen irre Weise die Opfer des Terrors für ihre Abschlachtung verantwortlich: Dem ZMD zufolge habe nämlich Israel zuvor palästinensische Dörfer und die Al-Aqsa-Moschee angegriffen. 
                                        
Der oberste Dienstherr des türkischen, staatlichlich gelenkten Verbandes DITIB, Ali Erbasch, rief nur eine Woche nach den Massakern zu weiterer Gewalt gegen Israel auf: Mit den Worten „Israel ist ein rostiger Dolch, der im Herzen der muslimischen Welt steckt“, forderte er die Vernichtung des jüdischen Staates. Ende November kündigte Erbasch an, den Einfluss des türkischen Staatsislamismus auf MuslimInnen in Europa noch stärker auszweiten. 
                                        
DITIB allein hat heute Einfluss auf rund eine Million MuslimInnen in Deutschland.
Auch Präsident Erdogan, der als Staatsoberhaupt der Türkei auch der deutschen DITIB letztinstanzlich vorsteht, zeigt wohin die Reise geht: Erdogan bezeichnet die Hamas als „Mudschahedin und Widerstandskämpfer, die für die Befreiung ihres Landes“ kämpften. Für den Despoten aus Ankara ist die Hamas eine „Befreiungsorganisation“ und Israel ein „Terrorstaat“ – Islamistische Täter-Opfer-Umkehr in Reinform.
Eine Botschaft, die auch in Deutschland auf die Straßen mobilisiert. 
                                        
Auch zweitgrößte islamische Dachverbands Deutschlands mobilisiert intern mit aggressivem Antisemitismus.
Nach anhaltendem öffentlichen Druck verurteilte der Chef von Mili Görüsch die Terrorakte der Hamas in einer PR-Aktion zwar verbal. 
                                        
Diese Schein-Distanzierung vom Antisemitismus scheiterte jedoch nur wenige Tage später, als Videos von internen Jugendschulungen der Organisation an die Öffentlichkeit gerieten:
Ein Imam und Mili Görüsch-Funktionär verbreitete in dem Video unter heranwachsenden Mili Görüsch-Mitgliedern den antisemitischen Verschwörungsmythos der jüdischen Weltverschwörung. Daran sagte er wörtlich: 
                                        
„Der Zionismus ist das Gehirn des Ausbeutungsmonsters, das die Welt unterdrückt. Das Europa der Kreuzzügler ist sein Herz, die USA seine rechte Hand und Russland seine linke Hand.“ 
                                        
Klar ist:
Antisemitismus ist ein fester Teil der politischen Kultur innerhalb islamischen Dachverbände.
Und klar ist auch:
Antisemitismus wird in den Dachverbänden kultiviert und in der Gesellschaft verbreitet.
Der islamistische Antisemitismus findet seinen Weg von den Köpfen auf die Straßen. Er wird zu offenem in Hass und mündet in tätlicher Gewalt gegen jüdisches Leben in Deutschland. 
                                        
Erinnern heißt handelt! Nie wieder ist jetzt! Für einen konsequenten Antifaschismus! 
                                        
Basisgruppe Recherche Ost 2023 

In Dessau geschehen, in Naumburg vertuscht

Reclaim Antifa ruft zur gemeinsamen Anreise auf.
Kommt mit uns am 7. Januar nach Naumburg zur Demo in Gedenken an Oury Jalloh!
Treffpunkt und Uhrzeit für die Anreise aus Leipzig folgen.
Oury Jalloh wurde vor 19 Jahren in Dessau von Polizisten ermordet. Ihre Tat bleibt bis heute ungesühnt. Dazu trug auch das Oberlandesgericht in Naumburg bei. Indem es am 23. Oktober 2019 eine Beschwerde gegen die Einstellung der zuvor wiederaufgenommenen Ermittlungen abwies, half es aktiv bei der Vertuschung des Mordes mit.
Tragt eure Wut mit uns in Naumburg auf die Straße!

Oury Jalloh das war Mord – Widerstand an jedem Ort!
Den Aufruf der Genoss:innen findet ihr hier.

Solidarität mit Israel. Gegen Antisemitismus! Antifaschistische Demonstration am 09.12.2023 in Leipzig!

Schon wieder eine israelsolidarische Demo? Ja! Denn die antisemitischen Zustände haben sich seit der letzten noch verschärft: in Leipzig, Deutschland und weltweit.

Demonstrationen, auf denen Israel das Existenzrecht abgesprochen und die antisemitischen Morde der Hamas gefeiert werden, finden mittlerweile auch in Leipzig im Wochentakt statt.

Mit unserer zweiten Demonstration gegen Antisemitismus wollen wir erneut Menschen bestärken, antisemitischer Agitation entschlossen entgegenzutreten ­– in der Uni, auf der Arbeit, im Hausprojekt und in der Politgruppe.

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober mobilisieren antisemitische Ideolog:innen alles, was sie aufzubieten haben. Das Bild, das auf palästinasolidarischen Demos vom aktuellen Krieg gezeichnet wird, ist die Weiterführung einer zwar unkoordinierten, aber treffsicheren globalen Desinformationskampagne. Nach russischem Vorbild wird verzerrt, verdreht und gelogen.

Auch wenn auf propalästinensischen Demonstrationen einzelne Teilnehmer:innen nur um die Menschen in Gaza besorgt sein mögen – auf Plakaten, in Redebeiträgen und Sprechchören wird nicht die israelische Regierung kritisiert, sondern Israel als Ganzes verurteilt: als Apartheid- oder gleich als Nazistaat. Dabei wird Israels Selbstverteidigung nicht nur delegitimiert, sondern als das eigentliche Verbrechen oder gar als Genozid dargestellt.

Im Gegensatz dazu werden die Kriegsverbrechen der Hamas gar nicht thematisiert. So nutzt die Hamas Krankenhäuser und Schulen als militärische Infrastruktur, trifft mit ihren Raketen oft selbst Gebäude in Gaza und schießt auf palästinensische Zivilist:innen.

Das zeigt, dass die Kriegsführung der Hamas auf die Maximierung von zivilen Toten und die Produktion schrecklicher Bilder aus Gaza abzielt. Die Fokussierung auf Israel als angeblich alleiniger Verursacher palästinensischen Leids spricht Bände.

Die Hamas agiert in ihren Angriffen bei weitem nicht isoliert. Von der Hisbollah bis zu den Huthi-Milizen schießen Islamisten Raketen auf Israel oder versuchen, noch mehr israelische Zivilist:innen zu entführen. Unterstützt und finanziert werden sie alle unter anderem durch die Islamische Republik Iran.

Es ist nur scheinbar paradox, dass sich weltweit antiimperialistische Linke jetzt hinter den Imperialismus des Iran und die Frauenverachtung des Islamismus stellen.

Der Kitt zwischen reaktionären Ideologien ist der Antisemitismus: sowohl zwischen islamistischen Gruppen als auch Antiimperialist:innen und deutschen Nazis. In dieser wahnhaften Welterklärung ist am Ende immer Israel, der Zionismus oder der Jude Schuld.

Israel ist kein koloniales Gebilde, wie seine fanatischen Feinde behaupten, sondern ein sicherer Ort für Jüdinnen und Juden. Ziel der zionistischen Idee war es immer, Menschen vor Antisemitismus zu schützen. Die jüngsten Ereignisse führen deutlich vor Augen, wie notwendig dieser Schutzraum bis heute ist.

Die Linke muss die Bedingungen für das Bestehen jüdischen Lebens verteidigen. Das hat nichts mit angeblichem Schuldkult oder deutscher Fixierung auf die Vergangenheit zu tun.

Solidarität mit Israel ist und bleibt antifaschistische Praxis – dazu gehört auch das israelische Recht auf Selbstverteidigung.

Eine Linke, die die patriarchale, kapitalistische Gegenwart angreifen will, braucht keine personifizierten Feinde, die sie ermorden oder vernichten kann. Sie braucht die Einsicht in die Funktionsweisen von Patriarchat und Kapitalismus und den Willen, diese Herrschaftsformen zu überwinden.

Kommt am 09.12.2023 mit uns auf die Straße, wenn wir geschlossen und kraftvoll für eine antifaschistische Solidarität mit Israel und gegen Antisemitismus demonstrieren.

Gegen Islamismus, Antisemitismus und Rassismus!
Für eine emanzipatorische Linke!

Redebeitrag Jugend gegen Rechts Leipzig vom 19.11.2023

Folgender Redebeitrag wurde von Jugend gegen Rechts Leipzig auf unserer Demonstration „Jetzt erst recht – gegen den antisemitischen Normalzustand“ gehalten:

„Antisemit*innen abschieben!“ und die Rede über einen „importierten Antisemitismus“ geistern seit dem 7. Oktober wieder reglmäßig durch rechte, bürgerliche und sogar linke Kreise. Wir haben es satt, wir kriegen das kotzen.

Dass Rufe nach Abschiebungen aus der rechten und bürgerlichen Ecke kommen, ist ja nichts Neues. Als rassistische Praxis dienen die Forderungen nach Abschiebungen auch der Konstruktuion einer herbeifantasierten nationalen Homogenitäts- Gemeinschaft. Wir, das sind die guten Deutschen und ihr, das sind die anderen, die hier eben nicht hingehören.

Dass eine rechte Partei, wie die AFD sich nun teilweise heuchlerisch als israelsolidarisch verkauft, um ihre rassitische Hetze gegen migrantisierte Menschen zu verbreiten, sollte uns nicht überraschen. Durch rassistische Instrumentalisierungen der pro- palästinensischen Demos schüren sie rassistische Feindschaften und Hass gegen vermeintlich Fremde. Abschiebungen sollen eben wieder salonfähig werden. Das klappt ganz wunderbar, wenn man den Antisemitismus einfach als Bedrohung von außerhalb konstruiert. Sodass Faschos, die gestern noch die Shoah geleugnet haben, heute vom „importierten“ Antisemitismus reden können.
Es ist ein blanker Hohn im Land der Täter irgendeinen Antisemitismus herbeizubeschwören, der von außen an uns herangetragen wird. Aber während die Verteilung von antisemitischen Flugblättern bei Aiwanger als Jugendsünde abgetan wird, während Halle passieren konnte und zig tausend Corona Leugner*innen ihre Shoa Relativierungen und Verschwörungsmythen über Monate hinweg verbreiten können und während der rote Teppich für jemanden ausgerollt wird, der noch vor kurzen die terroristische Hamas als Widerstand glorifiziert hat, ist es natürlich ein leichtes Abschiebungen in „großem Stil“ zu fordern.

Zur Hölle mit eurer deutschen Staatsräson!

Keine rassistische Hetze kann uns darüber hinwegtäuschen, dass Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Phänomen darstellt und damit ein integraler Bestandteil der Gesellschaft ist.
Antisemitismus hat deutsche Kontinuität. Es ist unsere Aufgabe als Antifaschist*innen diese Kontinuitäten auch da aufzudecken, wo sie sich besonders gut verstecken.
Wir können und werden uns niemals im Kampf gegen Antisemitismus auf den Staat verlassen und wir werden nicht müde den Konflikt mit dem Bestehenden zu suchen.
Als emanzipatorische Linke wissen wir: Antisemitismus lässt sich nicht mit Rassismus bekämpfen. Wer das jedoch probiert hat weder ein begriffliches Verständnis von Antisemtismus, noch von Rassismus.

Abschließend zitieren wir die Worte der Bildungsstätte Anne Frank anlässlich des Gedenken an die Novemberpogrome vom 9.11.1938: „Die Klage über einen angeblich importierten Antisemitismus nährt ein rassistisches Narrativ, das die jüdische Gemeinschaft in Deutschland genauso wenig schützen wird wie der Ruf nach Abschiebungen, die weitere Aufweichung des Asylrechts oder pauschale Verbote von Palästina-Solidarität. Es gilt, Räume zu schaffen, in denen Trauer und Solidaritäten möglich sind- aber… Diese Räume müssen mit einer entschiedenen Haltung verbunden werden: Das Existenzrecht Israels ist unverhandelbar, …“ – Zitat Ende.

Wir lassen nicht zu, dass der Kampf gegen Antisemitismus für rassistische Hetze instrumentalisiert wird!

Deshalb sagen wir:
Schuld kann man nicht abschieben,
Kein Friede mit Deutschland und nieder mit den deutschen Verhältnissen!
Gegen islamistischen Terror und rassistiche Vereinnahmungen.
Free Gaza from Hamas und immer und überall gegen jeden Antisemitismus!

Redebeitrag zur Demonstration „Jetzt erst recht – gegen den antisemitischen Normalzustand“ am 19.11.23

„Es brennt, Leute, es brennt!
Helfen könnt alleine ihr!
Wenn euch dieser Ort teuer ist,
Nehmt Gefäße, löscht das Feuer,
Löscht mit eurem eigenen Blut,
Beweist, dass ihr das könnt!
Steht nicht, Leute, so umher
mit verschränkten Armen,
Steht nicht, Leute, löscht das Feuer!
Unser Städtel brennt!“
Ein Lied von 1938.

Ein Lied vom jiddischen Städtel, dass es heute nicht mehr gibt. Es hat gebrannt, wurde verbrannt und alle standen mit verschränkten Armen daneben und sahen zu. Heute nennen sich die jüdischen Communitys nicht mehr Städtel – trotzdem stehen wieder Leute daneben und zündeln… Und wieder stehen die meisten anderen daneben und verschränken ihre Arme… Oder gießen noch Öl ins Feuer. Synagogen und Gedenkorte werden beschmiert und geschändet, weil sich Israel verteidigt. Jüdinnen und Juden fühlen sich in Deutschland mal wieder nicht mehr sicher, weil sie angefeindet und angegriffen werden, weil ihre Wohnhäuser mit Davidsternen markiert werden – weil sie mit dem Konflikt im nahen Osten identifiziert und verantwortlich gemacht werden. Ein antisemitischer Mob jagt Ankommende aus Israel durch einen russischen Flughafen… Am Rande einer antiisraelischen Kundgebung in Los Angeles wurde ein Jude mit deinem Megafon gegen den Kopf geschlagen und verstarb kurze Zeit darauf im Krankenhaus. In Detroit wurde vor wenigen Tagen die Vorsitzende der Synagoge vor ihrem Haus erstochen. Möge ihr Andenken ein Segen sein.
In Duisburg wurde ein Islamist verhaftet, der plante mit einem Lkw in eine Israelsolidarische Kundgebung zu fahren…
In Berlin wurde die Gedenkzeremonie zur Reichspogromnacht mit Eiern beworfen… Ebenfalls in Berlin wurde ein jüdischer Journalist mit einem Messer bedroht … An der Erfurter Synagoge wurden Gedenkzettel, welche am Eingang angebracht waren, angezündet. Es brennt wieder.
Das war nur eine kleine Auswahl der Fälle aus dem letzten Monat.
Es brennt wieder. Ich habe bereits vor zwei Wochen eine Rede auf einer Kundgebung nicht persönlich gehalten… Und ich werde auch diese Rede wieder von jemand anderem vorlesen lassen – meine Angst ist immer noch zu groß. Die Angst, dass mich doch jemand wieder erkennt, wenn ich mit meinen jüdischen Kindern unterwegs bin… Die Angst, dass die Kinder erneut antisemitischen Anfeindungen in der Schule ausgesetzt sind… Die Angst, dass die Paranoia des letzten Monats sich doch bewahrheiten könnte… Der 7. Oktober stellt eine Zäsur dar. Nicht nur wurde das absolut notwendige Sicherheitsgefühl in Israel massiv erschüttert. Die staatgewordene Antwort auf das vielfach beschworene „nie wieder“,
als versprechen des „nie wieder wehrlos“, wurde durch die Grausamkeit der Attacke gezeichnet. Das barbarische Vorgehen der marodierenden Terrorbanden sollte eigentlich verdeutlichen, dass dies kein Akt des Widerstands war. Es war ein Akt der Vernichtung, des puren eliminatorischen Hasses. Doch auch die mehrheitlichen Reaktionen weltweit sind Teil dieser Zäsur, sprechen sie doch eine ähnlich barbarische Sprache, stoßen zumindest in ein ähnliches Horn. Die Welle an Verklärung, Verherrlichung und Legitimation dieser Gräueltaten, sowie das anschließende Victim-Blaming, entspringen dem gleichen Antisemitismus, der auch das Bedürfnis nährt, wieder Jüdinnen und Juden töten zu wollen, und dies auch umzusetzen. Doch bei all der Verzweiflung und der Ohnmachtsgefühle gibt es kleine Zeichen der Solidarität.
Wenn Fußballfans ein israelisches Restaurant bewachen… wenn Leute aus einem Imbiss geworfen werden, weil sie sich antisemitisch geäußert haben… Wenn man angelächelt wird, weil man einen antisemitischen Sticker entfernt hat… wenn befreundete Menschen anrufen.
Diese Momente sind so wichtig. Und ich bitte euch von Herzen, für andere genau solche Momente zu schaffen. Vor allem für eure jüdischen Freund*innen, Genoss*innen, Mitmenschen. Fragt, wie es ihnen geht… Fragt, was sie gerade brauchen. Fragt, ob sie über die aktuelle Situation
reden möchten, oder lieber über etwas ganz anderes zur Ablenkung.
Aber bitte bitte erklärt ihnen nicht, wer eurer Ansicht nach an was schuld sei, oder ob sie sich in der aktuellen Lage vor Antisemitismus fürchten sollten oder nicht. Bitte bitte fragt nicht nach ihrer Meinung zur israelischen Regierung oder zu irgendwelchen Siedlern. Sondern seid sensibel, aufmerksam und zeigt, dass ihr solidarisch an der Seite steht.
Am Ende bleibt mir nur, an den Philosophen Herbert Marcuse zu erinnern, welcher sich weigerte, im Angesicht des Wahnsinns dieser Gesellschaft zu resignieren – und das selbst im Tode. Auf seinen Grabstein ließ er schreiben: „weiter machen!“. Und in diesem Sinne danke ich euch, dass ihr heute hier seid.
Am Israel Chai.