Redebeitrag Fantifa Leipzig: Israelsolidarität und radikale Linke

Folgender Redebeitrag wurde von der Gruppe Fantifa Leipzig auf unserer ersten Bündniskundgebung im Mai 2023 gehalten:

Seit einiger Zeit beobachten wir, mit welch offensiver Präsenz sich antiimperialistische Gruppen in Leipzig ausbreiten. Regelmäßig wollen sie ihre vermeintlich linken Positionen auf die Straße tragen. Gut sichtbar dabei: Unter den Antiimps zeichnet sich ein fast schon antizionistischer Mainstream ab. Wir fragen uns, seit wann es cool geworden ist, seinen Antisemitismus mal mehr und mal weniger unter roten Schlauchis zu verstecken.
Israel bildet für diese Gruppen Projektionsfläche ihrer antizionistischen Konzeptionen und sie scheuen sich auch nicht davor, einfache und falsche Zuschreibungen wie “Apartheidsstaat” oder “Kindermörder Israel” zu propagieren.
Immer wieder wird Israel als Aggressor und Gefahr für den Weltfrieden dämonisiert, immer wieder können wir ein Geschwafel vernehmen, dass Israel als “den bösen Imperialisten” bezeichnet. Die existenzielle Bedrohung Israels wird dabei fleißig geleugnet und die Einsicht, dass Israel ein handlungsfähiger Staat ist, der sich gegen Terrororganisationen wehren und schützen kann, führte doch schon in den 60er Jahren zu einem blühenden Antizionismus.
Sodass sich unter dem Deckmantel des Antiimperialismus vor allem eines versteckt: Der eliminatorische Hass auf Israel.

Durch eine Reduzierung und Verkürzung von ökonomischen, politischen und sozialen Zusammenhängen scheint ein solcher Antiimperialismus erstmal eine verständliche Art der Welterklärung zu sein. Aber alles einfach in dichotomische Zusammenhänge zu bringen erklärt die Welt noch nicht. In seiner Unterkomplexität liegt dem Antiimperialismus damit eine grundlegende Nähe zu antisemitischen Erklärungs,- und Denkstrukturen inne. Diese Ähnlichkeiten führen oft zu inhaltlichen Übereinstimmungen und gipfeln in antizionistischen Zerstörungsphanstasmen, grassierenden Verschwörungsmythen und antisemitischer Gewalt. Diese Gewalt zeigt sich in der Verbrennung von Israelfahnen, in Shoa-Relativierungen (und in) antisemitischen Parolen, die die Auslöschung Israels fordern, (sowie in Anschlägen auf Synagogen, wie zuletzt in Essen oder Ermreuth und in dem antisemitischen Attentat in Halle.)

Um die Forderung nach der Zerstörung Israels als imperialistische Macht nach Ausschwitz überhaupt aussprechen zu können, war es vor allem notwendig, Israel von der Shoa zu trennen.
Folglich lässt sich im Antiimperialismus auch eine gravierende Geschichtsvergessenheit verzeichnen.
Ein Antiimperialismus, der die sytematische Vernichtung von Juden und Jüdinnen nicht anerkennt, bewusst auslässt und der die daraus notwendigen Konsequenzen einfach nie gezogen hat.
Diese Geschichtsvergessenheit zeugt von einer elendigen Ignoranz, die zwangsläufig zu einer Verkennung des Zusammenhangs zwischen Antisemitismus, der Shoa und der Unabdingbarkeit eines jüdischen Staates führt. Wer die Singularität, die Spezifik der Shoa jedoch verkennt, der kann auch kein Verständnis über die Alternativlosigkeit eines jüdischen Staates haben. Denn auch wenn es schon vor ’48 zionistische Bewegungen gab, war doch spätestens vor dem Hintergrund der industriellen Massenvernichtung klar: Es braucht einen unabhängigen Staat Israel, in dem Juden und Jüdinnen keine Minderheit darstellen und in dem sie frei und sicher leben können. Wer Israel also den Kampf ansagt, nimmt im gleichen Atemzug die erneute Verfolgung von Jüd*innen in kauf. Die Aussage “ich bin kein Antisemit nur Antizionist” zieht nicht. Ihr könnt euch nicht hinter eurem Israelhass verstecken. Antizionismus ist auch immer Antisemitismus.

Wenn wir also als radikale Linke über Antifaschismus sprechen, so muss doch die Grundlage unserer Kämpfe, unserer Arbeit und unseres Selbstverständnisses sein, dass Ausschwitz sich nicht wiederholt.
Der antifaschistische Kampf muss in Konsequenz immer Solidarität mit Israel bedeuten.
Wer diese Konsequenz nicht zieht und damit die Notwendigkeit des einzigen Schutzraums für jüdisches Leben weltweit nicht erkennt, wer die Existenz eines jüdischen Staates in Frage stellt, ihn gleichsam delegitimiert, kann sich weder als links, noch als Genoss*in und erst recht nicht als Antifaschist*in bezeichnen.
Als progressive, emanzipatorische Linke ist es unsere Aufgabe im Land der Täter jegliche Formen von Antisemitismus niemals einfach hinzunehmen, ihnen konsequent entgegen zu wirken und sie überall zu bekämpfen.
Der Kampf für eine Gesellschaft, in der jeder ohne Angst verschieden sein kann, muss sich folglich immer auch als Kampf gegen Antisemitismus verstehen.
Dabei dürfen wir uns nicht in einer lächerlichen Feindschaft zwischen Antiimps und Anti-Ds verlieren, verkennt diese doch, worum es hier eigentlich gehen muss:
Um die Sicherheit jüdischen Lebens in einer postnationalsozialistischen Gesellschaft, die nicht erst in den letzten Jahren immer mehr antisemitische Gewalt hervorgebracht hat.
So muss uns doch klar sein, dass Antisemit*innen keine progressive oder revolutionäre Kraft für die Befreiung der Gesellschaft sein können – auch wenn sie es allzu gerne behaupten. Konsequent gegen jeden Antisemitismus ernst zu nehmen, muss bedeuten die Unverzichtbarkeit Israels als Schutzraum und als Lebensversicherung für Jüd*innen weltweit anzuerkennen und zu verteidigen.