Grußwort der Pirnaer Autonomen Linken auf unserer Kundgebung vom 14.05.2023

Für unsere Auftaktkundgebung, die wir am 14.05.2023 in Leipzig unter unserem Bündnismotto „Reclaim Antifa – Emanzipation statt Antisemitismus“ veranstalteten, ließ uns die Gruppe Pirnaer Autonome Linke ein Grußwort zukommen, welches auf der Kundgebung verlesen wurde. Das Grußwort findet ihr auch hier auf dem Blog der Gruppe, wir dokumentieren es auch auf unserem Blog im Folgenden:

Liebe Demoteilnehmer, liebe Genossinnen und Genossen,

es sind verrückte Zeiten, in denen wir unser Grußwort an euch mit Sätzen erklären müssen, die zum festen Repertoire Linker gehören sollten: „Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.“

Wichtig und notwendig ist es (leider), die beiden folgenden Sätze des bekannten Diktums aus Adornos „Negativer Dialektik“ nicht zu unterschlagen: „Dieser Imperativ ist so widerspenstig gegen seine Begründung wie einst die Gegebenheiten des Kantischen. Ihn diskursiv zu behandeln, wäre Frevel.“ Die Gewissheit, dass die Abwehr des Antisemitismus eine der zentralen linken Forderungen ist, verschwand in den letzten zwei Jahrzehnten auch immer mehr aus ehemals „antideutschen“ Kreisen. Und dies trotz dessen auf nationaler wie internationaler Bühne „klassischer“ Antisemitismus rechter bis nazistischer Ausrichtung fröhliche Urstände feiert und in islamischer Ausprägung unter sich progressiv Gebenden beispielsweise in Kassel verteidigt wird. Das liegt nicht zuletzt an einer „Dekonstruktion“ des Antisemitismus, wie er in der Postmoderne betrieben wird. Dafür stehen einerseits Versuche, den Antisemitismus „antirassistisch“ zu „lesen“, d. h. unter den Rassismus zu subsumieren. Andererseits zeigt sich in Debatten um die Shoah und die Erinnerungs- sowie Gedenkkultur (Stichwort: Multidirektionale Erinnerung), wie sehr versucht wird, den Antisemitismus in Form eines neuen Schlussstrichs endlich ad acta legen zu können. Darüber können auch nicht die vielen zivilgesellschaftlichen Projekte hinwegtäuschen, in denen der Antisemitismus kontinuierlich beackert wird, ohne aber das Geringste zu begreifen.

Dass sich mittlerweile in ostdeutschen Städten der traditionelle, linke und antiimperialistische Antisemitismus immer größerer Beliebtheit erfreut und rote Grüppchen entstehen und wachsen, bildet noch das I-Tüpfelchen. Die Gruppen und ihr Hass auf Israel spielen zwar gesamtgesellschaftlich keine Rolle, machen es aber Juden und israelsolidarischen Linken durchaus unangenehmer – und das in einer Region, in der man aufgrund der staatssozialistischen Vergangenheit sonst nur über solche unbedeutenden, autoritären Grüppchen lachen konnte. Aber in Geschichtsvergessenheit ist die gesamte radikale Linke gut geübt. Zusätzlich ist vermehrt ein Phänomen in Dresden und Leipzig zu beobachten, welches man eigentlich nur aus westdeutschen Städten kannte: gewaltsame antiisraelische Kundgebungen. Auch hier gilt es, diese nicht unwidersprochen zu lassen und im wahrsten Sinne des Wortes Flagge zu zeigen.

Dem Hass auf Israel gilt es mit Kritik der deutschen und internationalen Zustände entgegenzutreten. Deshalb unterstützen wir diese Kundgebung mit dem Ziel, der antisemitischen Regression entgegenzuwirken. Zwar wird auch diese Kundgebung kaum etwas ausrichten können, doch was bleibt uns anderes übrig? Es ist auf jeden Fall schön zu sehen, dass es noch so viele vernünftige Menschen gibt.

Wir danken für die Einladung und freuen uns schon auf die nachfolgenden Beiträge.
Eure Pirnaer Autonome Linke