Redebeitrag Kappa: Antizionismus & Antiimperialismus

Folgender Redebeitrag wurde von Kappa – Kommunistische Gruppe Leipzig auf unserer ersten Kundgebung im Mai 2023 gehalten:

Das Projekt, einen jüdischen Staat zu gründen, geht schon bis ins späte 19. Jahrhundert zurück. 1948 ist es endlich erfolgreich. Der Kampf der zionistischen Bewegung um einen jüdischen Staat scheint zunächst gewonnen. Unter dem Eindruck der Shoah war Linken in Westdeutschland zunächst klar, dass dieser Staat unterstützt werden muss. Das ändert sich mit dem Sechs-Tage-Krieg. 1967 war Israel von feindlichen Mächten umgeben. Alle Nachbarstaaten hatten das klare Ziel, den jüdischen Staat zu vernichten. Israel entschloss sich angesichts der wachsenden Bedrohung zum Präventivschlag – und siegte innerhalb von sechs Tagen gegen alle seine Nachbarstaaten. Israel gewann die Kontrolle über verschiedene Grenzgebiete und den Gazastreifen. Die drohende Vernichtung des jüdischen Staates war abgewendet.

Aber mit diesem Krieg wandelte sich auch die Stimmung innerhalb der westdeutschen Linken. Statt der Solidarität mit den Opfern des deutschen Vernichtungswahns, wurden zusehends die Palästinenser als Unterdrückte gesehen. Die westdeutsche Linke entdeckte den Antizionismus. Einer seiner vielen fürchterlichen Höhepunkte: Deutsche Terroristen, die bei einer Flugzeugentführung jüdische Passagiere von den anderen trennten. Und nur die jüdischen nicht freiließen. Woher kam dieser antisemitische Antizionismus?

Die Linke sah sich als antiimperialistisch. In diesem Weltbild gibt es ein klares Gegenüber von Gut und Böse. Böse, das waren die imperialistischen Großmächte des Westens. Gut, das waren die unterdrückten Völker. Dieser klare Gegensatz ersetzt jegliche Kritik am Funktionszusammenhang des Kapitalismus. Für die antiimperialistische Linke war nicht das System für das Elend verantwortlich, sondern das Handeln der Herrschenden, der Eliten. Und wo von Eliten als Ursache des Elends geredet wird, da ist der Judenhass bekanntlich eh nicht weit.

Und schließlich, nach einer kurzen Phase der Solidarität mit Israel, geplagt vom schlechten Gewissen über die eigenen Verbrechen, wandelte sich die Stimmung bis hin zum eliminatorischen Hass auf den Staat der Juden. Die Israelis handelten ab dem Sechs-Tage-Krieg nicht mehr eindeutig als Opfer, als Unterdrückte. Vielmehr begannen sie spätestens jetzt, Palästinenser zu unterdrücken. Und da das antiimperialistische Weltbild nunmal kein evil-good oder lawful-bad kennt, rutschte Israel aus der Liga der Guten ins Lager der Bösen ab. Israel wurde Sinnbild für den Imperialismus und den Westen. Blöder Antiimperialismus vermischte sich mit traditionellem deutschen Antisemitismus. Das “gute”, weil gegen die imperialistische Unterdrückung kämpfende palästinensische Volk, wurde den “bösen” Israelis, also Juden, gegenübergestellt. Und der Staat Israel so vom Selbstverteidigungsprojekt zum Hindernis im Kampf um die Befreiung der Menschheit von den bösen Mächten des Imperialismus.

Die Rhetorik antiimperialistischer Gruppen erscheint revolutionär und stellt die Solidarität mit „den Unterdrückten“ in den Mittelpunkt, bietet letztlich damit aber einen Anknüpfungspunkt für antisemitisches Denken. Und spätestens dann, wenn Juden persönlich für Handlungen des Staates Israel verantwortlich gemacht werden, ist der Grundstein für antisemitischen Terror gelegt. Größtenteils geht dieser von rechten und islamistischen Gruppierungen aus, doch vor allem in den 70ern und 80ern gab es eine ganze Reihe antisemitisch motivierter Anschläge durch deutsche Linke – das darf nie wieder passieren und es ist unsere Aufgabe, es zu verhindern.

Ganz abgesehen davon also, dass wir Antisemitismus natürlich moralisch verurteilen, ist er auch antiemanzipatorisch. Der Ideologie von Herrschenden und Unterdrückten, vom Volkskampf gegen die Elite, können nur Rechte etwas abgewinnen. Für die kommunistische Bewegung bietet sie keinen Mehrwert, sie ist eine Gefahr, die wir bekämpfen müssen.