Redebeitrag der Fantifa vom 19.11.2023: Hat der Feminismus ein Antisemitismusproblem? „Für meine Schwester, deine Schwester, unsere Schwester“.

Folgender Redebeitrag wurde von der Fantifa Leipzig am 19.11.2023 auf unserer Demonstration „Jetzt erst recht – gegen den antisemitischen Normalzustand“ gehalten:

Der Überfall der Hamas auf israelische Zivilist*innen am 7. Oktober markiert den Anfang des größten Progroms an jüdischem Leben nach der Shoa. Wir haben erschreckende Bilder und Videos gesehen, haben getrauert und mitgefühlt, waren schockiert und wütend. Wütend, weil nach dem Überfall der terroristischen Hamas viele feministische Stimmen verstummt sind. 
Wütend, weil nach dem 7. Oktober wieder Stimmen laut geworden sind, die ihren zerstörerischen Antisemitismus unverholen äußern, ihn auf die Straße getragen haben und das auch konnten. 
Als feministische und antifaschistische Gruppe fragen wir uns:  
wie kann es sein, dass nach dem 7 Oktober ein feministischer Aufschrei fast vollständig ausblieb? 
Wo sind all die feministischen Stimmen, die die Hamas und ihre Unterstützer als misogyne und antifeministische Terrorbande bezeichnen und sie verurteilen, 
die sich klar und unmissverständlich solidarisch mit Israel zeigen 
und die dessen Recht auf Selbstverteidigung betonen? 
Uns quält die Einsicht, dass der Feminismus nach Jahrzehnten der Theoriebildung ein immer noch ganz schön großes Antisemitismusproblem hat.
Wir prangern all jene feminsitischen Strukturen und all jene Feminist*innen an, die sich eigentlich dem Kampf für eine emanzipierte und befreite Gesellschaft verschrieben haben, den Kampf gegen jeden Antisemitismus aber konsequent ausklammern.
Ihr, die am lautesten jin jian azadi ruft, 
aber den Überfall der Hamas als verquerte Palästina-Solidarität legitimiert. 
Ihr, die immmer wieder von safer spaces redet aber Israel nicht als notwendigen Schutzraum anerkennt. 
Ihr, die von einem befreiten Leben für alle Frauen und Queers redet 
aber Israel des Pinkwashing bezichtigt. 
Schämt euch.
Merle Stöver beschreibt Anhand des Chicago Dyke March von 2017 das Phänomen, 
welches sie als eine Fusion zwischen queerfeministischen und antirassistischen Bewegungen beschreibt: 
Die Suche nach gemeinsamen Feindbildern 
und die Setzung Israels, als „übermächtigen weißen Fremdkörper“, 
sowie die Erklärung Israels als „Kolonialmacht im nicht-weißen Nahen Osten“ 
Der Zionismus, so Stöver, werde als Konzept weißer Übermacht gesetzt. 
Vor dem Hintergrund eines antikolonialen Standpunktes 
und entgegen der weltgeschichtlichen Entwicklung wird Israel zum Staat, 
der bekämpft werden muss. 
Während Bilder von vergewaltigten, misshandelten und bloßgestellten Frauen im Netz kursierten und weiterhin der angebliche „befreiungskampf Palästinas“ gefeiert wurde, war sehr eindrücklich zu sehen, wie Kriege am weiblichen Körper ausgetragen werden. 
Die radikal islamistische Terrorgruppe Hamas hat gezielt 
vergewaltigte und ermordete Frauenkörper als kriegerische Trophäen inszeniert. 
Eine Bloßstellung, Entwürdigung und Entmenschlichung von Frauen, bei der uns die Kotze im Hals stecken bleibt. 
Selbst eine derartig ekelhafte Inszenierung von sexualisierter Gewalt,  war kein Grund für Menschen, die sich den Feminismus sonst groß auf die Fahne schreiben, 
diese Taten klar zu verurteilen.
Dass der Angriff und dessen Folgen, sowie deren Zurschaustellung, klar antisemitisch und zutiefst misogyn sind, scheint, wenn überhaupt, nebensächlich.
Feministisch ist man dann doch nur, wenn es gerade nicht um jüdisches Leben oder Israel geht, wenn es zufällig ganz gut in die eigene Auffassung von Intersektionalität passt oder natürlich zu Holocaust-Gedenktagen. 
Eine Solidarisierung mit dem sog. „Befreiungskampf“ ist schlicht eine Solidarisierung mit einer islamistischen, misogynen und queerfeindlichen Terrorgruppe und ihrem Netzwerk in Iran, Libanon oder Syrien. 
Auch unzählige Palästinenser:innen leiden täglich unter den Auswirkungen dieser islamistischen Herrschaft.
Wie man sich als Frau oder als queere Person hinter eine derart regressive Organisation stellen kann, ist uns unbegreiflich.
Während Israel der einzige Staat im Nahen Osten ist, in welchem es überhaupt erlaubt ist, queer zu sein, wird Israel mit unsinnigen und perfiden Vorwürfen des Homonationalismus und des Pinkwashings konfrontiert. 
Für die Vorreiter*innen der queer theory und die treusten Verbündeten der BDS Kampagne, wie Jaspir Puar und Angela Davis, sei die liberale Politik Israels im Hinblick auf die Gesetzgebung der Rechte für LGBTQIA+ Personen Vorwand und Täuschung einer imperialistischen Agenda. 
Israels Politik und gesellschaftliche Akzeptanz für queere Menschen sei eine Herrschaftsstrategie, die die arabischen und muslimischen Communities als das Andere setze, um so den homophoben Muslim zu konstruieren. 
Der jahrzehntelange Kampf israelischer Queers für ihre Rechte, sowie das Freiheitsbegehren der palästinensischen Queers wird damit nicht nur ausgeblendet, sondern auch delegitimiert. Zudem werden Kulturen und Gesellschaften vereinheitlicht und Widersprüche und Konflikte, die innerhalb dieser stattfinden ausgeblendet.
Während  das kollektive Recht auf nationale Selbstbestimmung übermäßig betont wird, 
fallen die individuellen Rechte, auf bspw. sexuelle Selbstbestimmung, dahinter zurück. 
Wie Max Horkheimer einmal schrieb, ist aber „die Souveränität eines Landes … etwas anderes als die Freiheit derer, die in ihm leben“.
Mit der feministischen Befreiungsbewegung gegen das iranische Mullah-Regime wurde sich auch von feministischen Bewegungen in Deutschland solidarisiert. Eine Bewegung – eine Revolution – GEGEN die Regierung im Iran. 
Eine Regierung, welche IS-Terrororganisationen unterstützt, 
Frauenrechte einschränkt und Homosexualität mit der Todesstrafe bestraft. 
Das der Iran zu den größten Unterstützern der Hamas und des islamistischen Djihads gehört,ist schon lange bewiesen.
So werden Waffenlieferungen und Wissen an die Terrororganisation gegeben,um den eliminatorischen Hass auf Israel auch materiell zu unterfüttern. 
Es sollte ein feministisches Anliegen sein, die nach Freiheit strebenden Kämpfe der Frauen im Iran weiterhin zu unterstützen und sich mit ihnen zu solidarisieren. Für uns ist es unverständlich, dass sog. Feminist*innen sich zum einen auf die Seite der Kämpfe im Iran stellen und zum anderen ein Palästina „from the river to the sea“ proklamieren. So scheint die Vernichtung Israels hinter den feministischen Anliegen zurücktreten zu müssen, unabhängig davon mit wem man sich da gerade eigentlich verbündet. 
So schreibt die feministische Gruppe Zora aus Leipzig auf ihrem Blog: „Es stimmt, dass die Hamas eine fundamentalistische Struktur ist, die auch keine Ansprüche erhebt, Frauen von patriarchaler Unterdrückung und Ausbeutung zu befreien. […] Nichtsdestotrotz stellt das israelische Regime die größere Last dar.“
Die heuchlerischen Abgrenzungsversuche der Gruppe enden immer wieder in einer Täter-Opfer- Umkehr und einer Relativierung und Legitimierung der Hamas.
Der Drang von Frauen nach Freiheit, nach sexueller Selbstbestimmung und ihr Anspruch auf die fundamentalen Frauenrechte ist aber nichts, was vom „Westen“ kommt, er ist universell.
Frauen Leben Freiheit. Im Iran, in Israel und in Gaza. Dort wo islamistischer Fundamentalismus regiert und dort wo islamistischer Fundamentalismus Angriffe verübt, kann es keine befreite Gesellschaft geben. Wir fordern Solidarität mit Israel und die Befreiung Gazas von der Hamas. Gegen Islamismus, Antifeminismus und gegen Antisemitismus. 
Wir wollen mit den Worten von Letty Cottin Progrebin enden: Meiner Ansicht nach, ist der Zionismus für Juden und Jüdinnen das, was Feminismus für Frauen ist- ein kontinuierlicher Kampf für Selbstbestimmung, Würde und Gerechtigkeit.

Redebeitrag des Wohn- und Kulturprojekts B12 auf unserer Demo vom 19.11.2023:

Das Wohn- und Kulturprojekt B12 hielt auf unserer Demonstration „Jetzt erst recht – gegen den antisemitischen Normalzustand“ am 19.11.2023 in Leipzig folgenden Redebeitrag, der sich kritisch mit dem Umgang der radikalen Linken in Leipzig mit Antisemitismus und dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 07.10.2023 beschäftigt:

Wir, die B12, sind ein linkes, israelsolidarisches und feministisches Hausprojekt im Leipziger Süden, das es seit Mitte der 90er gibt. Israelsolidarisch war die B12 nicht immer, ist es aber seit vielen Jahren. Daran halten wir fest. Weil Antifaschismus nicht ohne die Kritik des Antisemitismus auskommt, aus der die Solidarität mit Israel eine notwendige Schlussfolgerung ist. Einzelne von uns waren direkt an den Vorbereitungen für die heutige Demo beteiligt. Das ganze Projekt hat sich nach Kräften bemüht, sie zu unterstützen. Uns ist es wichtig, heute über die vergangenen 6 Wochen zu sprechen. Über Reaktionen auf unser politisches Verhalten und über das Schweigen der Linken zum Massaker vom 7. Oktober. Denn die politische Einsamkeit als israelsolidarischer Zusammenhang hat uns in den vergangenen Wochen belastet.
Das Massaker vom 7. Oktober 2023 muss als Zäsur begriffen werden. Wegen seiner genozidalen Qualität, wegen seiner minutiösen militärischen Planung, wegen der sadistischen Zurschaustellung seiner Opfer, weil es als Androhung der totalen Vernichtung verstanden werden muss. Der anschließende Schock saß sehr, sehr tief. Im Verlauf des Tages selbst und den folgenden Tagen sind immer grausamere Einzelheiten der Terrorakte bekannt geworden. Wie unzählige andere Menschen haben auch wir uns verzweifelt und ohnmächtig gefühlt. So haben wir auch das Schweigen eingeordnet, das uns in der Leipziger Linken aufgefallen ist. Bei Teilen dieser Linken hat es nicht lange angehalten.
Nach weniger als zwei Wochen zeigte sich, dass das Kalkül der Hamas aufgegangen war: Das Massaker stellte sich als erfolgreichste PR-Aktion ihrer Geschichte heraus. Sobald Israel mit der unumgänglichen Selbstverteidigung begann, verwandelte sich der globale Antisemitismus in einen Flächenbrand. Das Ausmaß der antisemitischen Gewalt und Hetze im Netz und auf der Straße lässt sich kaum mehr beziffern. Die ohnehin nie überwundene Bedrohungslage für jüdische Menschen ist auf eine Weise eskaliert, durch die nun um die Zukunft von Jüdinnen und Juden in der Diaspora gebangt werden muss. Das ist eine Bilanz, die eine emanzipatorische Linke zutiefst bestürzen müsste! Stattdessen schlossen sich die hiesigen Linken, die auf die Straße mobilisierten, der Hetze gegen Israel an. Bei linken Gruppen und Aktivist:innen, die nicht in das Bejubeln des Hamas-Terrors eingestimmt haben, überwiegt nach wie vor Schweigen. 
In der ersten Woche nach dem Massaker fanden in Leipzig zwei israelsolidarische Gedenkkundgebungen statt. Organisatoren waren das Junge Forum und die Deutsch-Israelische Gesellschaft. Wir sind sehr dankbar für die Organisation beider Kundgebungen binnen kurzer Zeit. Es kamen aber jeweils nicht mehr als 400 Personen zusammen, von denen ohnehin nur ein Teil der Linken zugeordnet werden kann. Die heutige Demo ist die erste antifaschistische Demonstration, die sich an die Seite Israels stellt und dem antisemitischen Normalzustand in Leipzig entgegentritt. Gegendemonstrationen gegen Handala und Konsorten blieben aus. Der Mangel an sichtbarer und praktischer Solidarität mit Jüdinnen und Juden ist traurig. Das alles ist ein Armutszeugnis für eine Stadt mit einer ehemals starken israelsolidarischen Linken.
Für uns als politischen Zusammenhang hat sich schnell die Frage aufgetan, ob es etwas gibt, das wir tun können. Also das Naheliegende zuerst: Israelfahne und Transpi an die Fassade; kurzes Statement auf Social Media. Darauf sind wir nicht stolz! In Anbetracht der Lage sollte das selbstverständlich sein, auch, wenn es sich nur um ein symbolisches Zeichen der Solidarität handelt. Und trotzdem: Wie viele Israelfahnen habt ihr auf dem Weg hierher an den Häusern gesehen? Wie viele Solidaritätsbekundungen mit Jüdinnen und Juden sind euch im Stadtbild, in den linken Szenevierteln untergekommen? Machen wir uns nichts vor! Natürlich haben solche Aktionen keine reale Auswirkung auf das Leid in Israel. Aber Solidarität mit Israel bedeutet immer Solidarität mit allen Jüdinnen und Juden! Beinahe die Hälfte von ihnen lebt in Israel und die große Mehrheit, auch in der Diaspora, befürwortet seine Existenz als Schutzraum.
Neben Zuspruch für unsere Positionierung schlugen uns auf Social Media auch Beleidigungen und latente Drohungen entgegen. Die B12 ist nicht nur ein Projekt, sondern auch unser Zuhause. Und so hatten wir in der ersten Woche nicht nur wegen der Nachrichten schlaflose Nächte, sondern auch aus Sorge vor Angriffen. Die sind glücklicherweise ausgeblieben, sieht man von den wenigen Stickern und Tags an Haustür und Fassade ab.
Um dem anhaltenden Ohnmachtsgefühl zu begegnen, entschlossen wir uns auch zur Veranstaltung eines Soli-Tresens für Israel. Daran wurde besonders moralinsauer Anstoß genommen. Die Beiträge reichten vom Wunsch nach einem starken Staat, der so etwas verbieten möge, über den Versuch, die Bewerbung auf Social Media löschen zu lassen bis hin zum Ausdruck antisemitischer Affekte in Form kotzender Emojis. Im Nachgang haben es sich dann anonyme Autor:innen auf knack.news nicht nehmen lassen, uns mit ein bisschen Küchenpsychologie das Identifikationsbedürfnis mit den „Mächtigen“ zu diagnostizieren. Wir wissen schließlich alle – niemand ist mächtiger als Israel. All das beweist, dass es möglich ist, als politischer Zusammenhang wenigstens zu versuchen, Solidarität zu zeigen – wie unbeholfen auch immer.
Warum fällt es nun so vielen Linken schwer, sich israelsolidarisch zu positionieren? Oder wenigstens solidarisch mit den Jüdinnen und Juden in der Diaspora? Immerhin ist die Bedrohungslage offensichtlich sehr groß und für gewöhnlich bekommen Linke immer das Maul  auf. Wir kennen sie doch alle: Einzelpersonen und Politgruppen, die mit verschiedenen Vorwürfen recht locker aus der Hüfte schießen. Es heißt soundso sei rassistisch, faschistisch, eine TERF und eine SWERF. Abgrenzung und Ausschluss sind schnell vollzogen. Nur jetzt, wo Ausschlüsse von antisemitischen Gruppen und praktische Solidarität mit Jüdinnen und Juden so dringend nötig sind, wird gehadert. Vielleicht wird es durch das Schweigen leichter, mit den ganzen hippen, bauchlinken Kunst- und Kulturleuten weiter auf Parties zu gehen oder sich bei der nächsten Demo wieder neben die Antisemiten zu stellen. 
Wir wollen an dieser Stelle die Antifaschistische Linke Eisenach erwähnen, die vorgestern eine Demonstration gegen Nazis vor Ort abgesagt hat, da auch „Young Struggle“ dazu aufgerufen hatte. Es wird sich geweigert, mit Antisemiten zu demonstrieren. Die Absage finden wir traurig, aber notwendig – keine Kompromisse mehr!
Stumm zu bleiben ist keine Option! Die Propagandamaschine der Hamas und ihrer Kompliz:innen läuft ohne Unterbrechung. Es zeigt sich jetzt mehr denn je, wie viele Menschen für sie empfänglich sind. Gespräche mit Freund:innen und Bekannten müssen geführt werden; Diskussionen auf dem Plenum auch. Und der zunehmenden Präsenz roter Gruppen muss endlich eine umfangreiche Vernetzung emanzipatorischer und antisemitismuskritischer Gruppen entgegengesetzt werden. Eine linke Bewegung muss sich für das Leben von Jüdinnen und Juden sowie die Sicherheit Israels einsetzen, andernfalls ist sie reaktionär und unsere jüdischen Genoss:innen werden fern bleiben.
Linke müssen endlich das Maul aufkriegen!
Danke allen, die bereits laut sind!
Antifa heißt Solidarität mit Israel!

Grußwort der Pirnaer Autonomen Linken auf unserer Kundgebung vom 14.05.2023

Für unsere Auftaktkundgebung, die wir am 14.05.2023 in Leipzig unter unserem Bündnismotto „Reclaim Antifa – Emanzipation statt Antisemitismus“ veranstalteten, ließ uns die Gruppe Pirnaer Autonome Linke ein Grußwort zukommen, welches auf der Kundgebung verlesen wurde. Das Grußwort findet ihr auch hier auf dem Blog der Gruppe, wir dokumentieren es auch auf unserem Blog im Folgenden:

Liebe Demoteilnehmer, liebe Genossinnen und Genossen,

es sind verrückte Zeiten, in denen wir unser Grußwort an euch mit Sätzen erklären müssen, die zum festen Repertoire Linker gehören sollten: „Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.“

Wichtig und notwendig ist es (leider), die beiden folgenden Sätze des bekannten Diktums aus Adornos „Negativer Dialektik“ nicht zu unterschlagen: „Dieser Imperativ ist so widerspenstig gegen seine Begründung wie einst die Gegebenheiten des Kantischen. Ihn diskursiv zu behandeln, wäre Frevel.“ Die Gewissheit, dass die Abwehr des Antisemitismus eine der zentralen linken Forderungen ist, verschwand in den letzten zwei Jahrzehnten auch immer mehr aus ehemals „antideutschen“ Kreisen. Und dies trotz dessen auf nationaler wie internationaler Bühne „klassischer“ Antisemitismus rechter bis nazistischer Ausrichtung fröhliche Urstände feiert und in islamischer Ausprägung unter sich progressiv Gebenden beispielsweise in Kassel verteidigt wird. Das liegt nicht zuletzt an einer „Dekonstruktion“ des Antisemitismus, wie er in der Postmoderne betrieben wird. Dafür stehen einerseits Versuche, den Antisemitismus „antirassistisch“ zu „lesen“, d. h. unter den Rassismus zu subsumieren. Andererseits zeigt sich in Debatten um die Shoah und die Erinnerungs- sowie Gedenkkultur (Stichwort: Multidirektionale Erinnerung), wie sehr versucht wird, den Antisemitismus in Form eines neuen Schlussstrichs endlich ad acta legen zu können. Darüber können auch nicht die vielen zivilgesellschaftlichen Projekte hinwegtäuschen, in denen der Antisemitismus kontinuierlich beackert wird, ohne aber das Geringste zu begreifen.

Dass sich mittlerweile in ostdeutschen Städten der traditionelle, linke und antiimperialistische Antisemitismus immer größerer Beliebtheit erfreut und rote Grüppchen entstehen und wachsen, bildet noch das I-Tüpfelchen. Die Gruppen und ihr Hass auf Israel spielen zwar gesamtgesellschaftlich keine Rolle, machen es aber Juden und israelsolidarischen Linken durchaus unangenehmer – und das in einer Region, in der man aufgrund der staatssozialistischen Vergangenheit sonst nur über solche unbedeutenden, autoritären Grüppchen lachen konnte. Aber in Geschichtsvergessenheit ist die gesamte radikale Linke gut geübt. Zusätzlich ist vermehrt ein Phänomen in Dresden und Leipzig zu beobachten, welches man eigentlich nur aus westdeutschen Städten kannte: gewaltsame antiisraelische Kundgebungen. Auch hier gilt es, diese nicht unwidersprochen zu lassen und im wahrsten Sinne des Wortes Flagge zu zeigen.

Dem Hass auf Israel gilt es mit Kritik der deutschen und internationalen Zustände entgegenzutreten. Deshalb unterstützen wir diese Kundgebung mit dem Ziel, der antisemitischen Regression entgegenzuwirken. Zwar wird auch diese Kundgebung kaum etwas ausrichten können, doch was bleibt uns anderes übrig? Es ist auf jeden Fall schön zu sehen, dass es noch so viele vernünftige Menschen gibt.

Wir danken für die Einladung und freuen uns schon auf die nachfolgenden Beiträge.
Eure Pirnaer Autonome Linke

Grußwort von ConnAct Saar auf unserer Kundgebung vom 14.05.2023

Für unsere Auftaktkundgebung, die wir am 14.05.2023 in Leipzig unter unserem Bündnismotto „Reclaim Antifa – Emanzipation statt Antisemitismus“ veranstalteten, ließ uns die Gruppe ConnAct Saar ein Grußwort zukommen, welches auf der Kundgebung verlesen wurde. Das Grußwort findet ihr auch hier auf dem Blog der Gruppe, wir dokumentieren es auch auf unserem Blog im Folgenden:

Liebe Genoss_innen, liebe Freund_innen,

als ConnAct Saar begrüßen wir ausdrücklich die Initiative gegen den antisemitischen Rollback, der in der bundesweiten radikalen Linken an Hegemonie gewinnt, auch wenn wir nicht alles an dem Aufruf teilen. Während der rechte Terror und die deutschen Verhältnisse die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Bündnisses der von Rassismus und Antisemitismus Betroffenen auf die Tagesordnung setzen, heißt es in linken Mobilisierungen statt „von Hanau nach Halle“ „von Hanau nach Gaza“. Während deutsche Antiimperialist:innen früher Flaggen der USA und Israels skandalisierten, sind sie heute stark darinnen Parolen gegen Antisemitismus organisiert zu überstimmen. Bei den Protesten und Blockaden gegen die „Neue Stärke Partei“ im Juli letzten Jahres in Mainz ließen es sich Teile der „Antifa“-Demonstration nicht nehmen, Intifada-Parolen zu skandieren – während man am jüdischen Friedhof vorbeizog. Die Praxis dieser linken Antisemit:innen macht jede theoretische Beweisführung über den Zusammenhang von Antizionismus und Antisemitismus überflüssig. Was wir jedoch im Kampf gegen den Antisemitismus in der radikalen Linken als hinderlich empfinden, ist die Verschiebung dieses Kampfes hin zu einem Kampf gegen eine „autoritäre“, „rote“ Linke. Auch wenn es natürlich mehr zu kritisieren gibt an diesen Gruppen als ihr Antisemitismus. Dennoch scheint uns auch der Begriff der „emanzipatorischen Linken“ als nicht geeignet, eine vermeintlich „unbefleckte“ Tradition einer antisemitismuskritischen Linken zu repräsentieren. Dieser von den Spontis explizit als antikommunistisch gedachter Begriff wurde ausgerechnet von jenen Kräften entwickelt, die wie die West-Berliner Tupamaros ihren gescheiterten Judenmord vom 9. November 1969 durch einen völlig undogmatischen Umgang mit der Faschismustheorie als „wahren Antifaschismus“ halluzinierten, während die antisemitische Gleichsetzung Israels mit dem Nazifaschismus im Blätterwald der „emanzipatorischen und antiautoritären“ Bewegung den K-Gruppen in nichts nachstand. Wir wollen also polemisch sein: Es geht um Antisemitismus und nicht um Lenin! Es geht um Israel und nicht um die Aufgabe der kommunistischen Theorie und Tradition! Es geht um eine kommunistische Bewegung und Revolution, die die historische Notwendigkeit Israels überflüssig macht und nicht die Existenz des jüdischen Staates gefährdet. Wie das „Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten“ vor mehr als 10 Jahren schrieb, ist von den antisemitischen kommmunistischen Gruppen vor allem zu lernen, dass man den von ihnen in den letzten Jahren leider erfolgreich geführten „Kampf der zwei Linien“ aufnehmen muss. Was diese Gruppen attraktiv macht, ist ihre vermeintliche Radikalität und ihre Antworten auf Fragen der revolutionären Strategie, ihre bundesweite Vernetzung und Organisierung. Während sich die ehemalige antideutsche Bewegung lieber in die Arme des bürgerlichen Staates, an den Tropf der bürgerlichen Medien, in die lokale Antifa-Arbeit oder in die „freien Assoziationen der Kritik“ zurückzog, überließ sie das Feld der überregionalen verbindlichen Organisierung, der kollektiven Intervention und der revolutionären Strategie den Israelfeinden. Wir freuen uns, dass ihr den Linienkampf in der linken Bewegung wieder offen aufnehmt und wünschen euch allen Erfolg. Noch mehr würden wir uns aber freuen, wenn sich aus eurer Initiative eine bundesweite Debatte entwickelt, wie dieser Kampf nicht nur in Leipzig, sondern bundesweit gewonnen werden kann. Sie ist dringend nötig!

In diesem Sinne:

Lang lebe Israel!

Gegen jeden Antisemitismus!

Für den Kommunismus!

Grußwort von DISSENS – Antifaschistische Gruppe Erfurt auf unserer Kundgebung vom 14.05.2023

Für unsere Auftaktkundgebung, die wir am 14.05.2023 in Leipzig unter unserem Bündnismotto „Reclaim Antifa – Emanzipation statt Antisemitismus“ veranstalteten, ließ uns die Gruppe DISSENS – Antifaschistische Gruppe Erfurt ein Grußwort zukommen, welches auf der Kundgebung verlesen wurde. Das Grußwort findet ihr auch hier auf dem Blog der Gruppe, wir dokumentieren es auch auf unserem Blog im Folgenden:

Als antideutsch geprägte und dadurch der Negation verpflichtete Gruppe, versuchen wir uns selbst und den Gedanken des „ganz Anderen“ in diesen trostlosen Zeiten irgendwie über Wasser zu halten.
Eingezwängt in die kleiner werdenden Nischen durchorganisierter bürgerlicher Lebensplanung, dem Versuch Linksradikaler durch die eigene Sozialdemokratisierung Anschlussfähigkeit vorzugaukeln und dem hier kritisierten traditionalistischen Rollback scheint uns dies notwendiger, je hoffnungsloser es ist. Im Angesicht des eigenen Scheiterns, wie es sich in der Popularisierung zutiefst antisemitischer Inhalte in der deutschen radikalen Linken zeigt, halten wir aber auch Selbstkritik angebracht. So spiegelt sich in weiten Teilen des israelsolidarischen Spektrums die Hierarchieriserung von Unterdrückungsverhältnissen und wahnhafter Ideologien, wie sie die autoritären Gruselgenossen betreiben. Interessieren sich die einen für alles außer für Antisemitismus, zeigt sich bei jenen eine schockierende Ignoranz gegenüber Rassismus, während beide hinsichtlich Queerfeindlichkeit gern eine eigenartige Querfront gegen irgendwas mit “Postmoderne“ bilden. Nicht das wir von jener Fan wären. Aber das eigene Nest, in dem man nach Gusto seinen ideologischen Halt findet, mag niemand beschmutzen. Dagegen halten wir fest: Ein transfeindlicher Antideutscher steht uns nicht prinzipiell näher als eine antisemitische Rote oder ein durch sämtliche Antidiskreminierungsworkshops gegangener Sozialdemokrat. An der befreiten Gesellschaft ist nichts davon näher. Lasst uns im besten Sinne ernstmachen mit der Forderung als “Abbruchunternehmen” die hiesige Linke vom orthodoxen und traditionalistischen Ballast zu befreien.

Für den Kommunismus heißt für den Dissens!

Grußwort von CAT Marburg auf unserer Kundgebung vom 14.05.2023

Für unsere Auftaktkundgebung, die wir am 14.05.2023 in Leipzig unter unserem Bündnismotto „Reclaim Antifa – Emanzipation statt Antisemitismus“ veranstalteten, ließ uns die Gruppe Communist Theory & Action Marburg ein Grußwort zukommen, welches auf der Kundgebung verlesen wurde. Das Grußwort findet ihr auch hier auf dem Blog der Gruppe, wir dokumentieren es auch auf unserem Blog im Folgenden:

Liebe Freund:innen und Genoss:innen,

die bundesweiten Entwicklungen autoritärer und antisemitisch linker Gruppen beschäftigen uns auch in Marburg. Umso wichtiger ist es dagegenzuhalten. Wir freuen uns darüber ein Grußwort auf der Kundgebung “Reclaim Antifa – Emanzipation statt Antisemitismus” halten zu können.

Ein Blick auf die Geschichte linker Bewegungen, nicht nur in Deutschland, sollte eigentlich genügen, um das Problem mit autoritären Gruppen und linkem Antisemitismus zu reflektieren. Das scheint leider in einigen Teilen der radikalen Linken nicht mehr der Fall zu sein. Die unter sich konkurrierenden autoritären K-Gruppen aus den 70er und 80er Jahren sind wieder da und erneut wollen sie die eine “wahre” kommunistische Partei aufbauen, die die Revolution als quasi-religiöses Heilsversprechen mit sich bringt. Und mit ihnen sind die Haupt- und Nebenwiderspruch Debatten wieder da, trotz aller Fortschritte hinsichtlich intersektionaler Ansätze und dem Ziel alle Herrschaftssysteme zu stürzen.

Eine radikale Linke muss sich mit der eigenen Vergangenheit und dem Scheitern linker Bewegungen auseinandersetzen. So demotivierend, kränkend und ekelhaft diese Aufarbeitung auch sein mag. Das heisst eine kritische Ausseneinandersetzung mit dem Staatssozialismus der Sowjetunion und der DDR, den K-Gruppen der 70er Jahre, nationaler Befreiungsbewegungen, sowie antisemitische Hetze und Anschlägen, die von linken Gruppen propagiert und durchgeführt wurden. Wir nennen hier nur kurze Beispiele dazu: Der versuchte Bombenanschlag der Tupamaros Westberlin am 09. November 1969 auf ein jüdisches Gemeindehaus und die Entebbe Flugzeugentführung 1976 durch palästinensische Terroristen in Zusammenarbeit mit Mitgliedern der Revolutionären Zellen, in dessen Verlauf jüdische Menschen segregiert und drei Geiseln, darunter eine Überlebende der Shoah, getötet wurden.

Wir empfehlen allen die Auseinandersetzung mit dem daraus resultierenden selbstkritischen Text von Mitgliedern der Revolutionären Zellen mit dem Titel “Gerd Albartus ist tot.” Wir zitieren: “Wir sahen Israel nicht mehr aus der Perspektive des nazistischen Vernichtungsprogramms, sondern nur noch aus dem Blickwinkel seiner Siedlungsgeschichte: Israel galt uns als Agent und Vorposten des westlichen Imperialismus mitten in der arabischen Welt, nicht aber als Ort der Zuflucht für die Überlebenden und Davongekommenen, der eine Notwendigkeit ist, solange eine neuerliche Massenvernichtung als Möglichkeit von niemandem ausgeschlossen werden kann, solange also der Antisemitismus als historisches und soziales Faktum fortlebt.”

Und um es deutlich zu sagen: Eine radikale Linke in Deutschland muss sich mit dem Nationalsozialismus und der Shoah aktiv auseinandersetzen. Erst dann ist nachvollziehbar, warum das Existenzrecht Israels als Schutzraum für Juden und Jüdinnen nicht verhandelbar ist.

Eine Auseinandersetzung muss auch dahingehend stattfinden, warum die K-Gruppen wieder da sind. Unser Kurzgedanke dazu: In Zeiten von Krisen und einer allgemeinen Hoffnungslosigkeit sind autoritäre Sehnsüchte und die Suche danach vorherrschend. Einfache Antworten auf komplexe Fragen, wie es die autoritären Gruppen mit dem Aufbau einer kommunistischen Partei propagieren, bieten bei genauerer Betrachtung keine Lösung an.

Wir plädieren für eine Trennlinie zwischen antiautoritär-emanzipatorischen Gruppen und den autoritären Gruppen. Antisemitismus ist kein Nebenwiderspruch, andere Formen von Diskriminierungen und Herrschaftsmechanismen auch nicht . Das Ziel ist nicht die Diktatur des Proletariats durch eine autoritär regierende kommunistische Partei, die uns recht wahrscheinlich in den Gulag stecken würde, wenn sie könnten, sondern die Aufhebung von Staat, Nation, Kapital und Patriarchat.

Reclaim Antifa, Reclaim antiautoritären Kommunismus – Emanzipation statt Antisemitismus.

Redebeitrag auf der Jufo-Kundgebung am 23.10.2023 in Leipzig

Folgender Redebeitrag wurde von unserem Bündnis am 23.10.2023 auf der Kundgebung des Jungen Forums der DIG Leipzig gehalten: Am 7. Oktober durchbrachen Terroristen verschiedener palästinensischer Organisationen den Sicherheitszaun um den Gaza-Streifen. Sie vergewaltigten, verschleppten Geiseln, folterten und töteten unterschiedslos alle Menschen, die sie zu fassen bekamen. In unserem Redebeitag soll es dabei vor allem um die Reaktionen in Deutschland, genauer um die Reaktionen von antiimperialistischen, autoritären Gruppen hier in Leipzig gehen. Bereits am selben Abend feierten Menschen die Pogrome als Freiheitskampf. In den Medien waren dabei auch die Fahnen des Kommunistischen Aufbaus – kurz KA – zu sehen. Auch der Leipziger Ableger dieser K-Gruppe verherrlicht den Terror gegen Israelis und Juden. Gruppen aus dem Umfeld des KA bekunden ihre „bedingungslose Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand“1 – Solidarität also auch mit den Vergewaltigern und Mördern – und das von Gruppen, die sich als links und/oder kommunistisch verstehen. Während die Massaker allen erneut vor Augen führen, was Jüdinnen und Juden in einem mehrheitlich palästinensischen Staat drohen würde, behaupten sie trotzdem, dass ein friedliches Zusammenleben nur in einem solchen palästinensischen Staat möglich sei. Sie selbst betrachten sich als Unterstützer:innen eines Freiheitskampfes und können in ihrer Logik schon deshalb keine Antisemiten sein, weil sie auch gegen Nazis sind. Doch in ihrem Weltbild kennen sie nur schwarz und weiß, die guten Palästinenser:innen, die für ihre Befreiung kämpfen und die böse Besatzungsmacht Israel. Ihre Solidarität mit ausgewählten Unterdrückten ist damit ein direktes Produkt ihrer unterkomplexen Welterklärung. Solidarisch können sie nur sein, nachdem sie die Unterdrückten vorher zu einem Volk kollektiviert haben. Daher kämpfen sie nicht länger für die Befreiung der Menschen von Ausbeutung und Herrschaft, sondern dafür, dass Völker ausschließlich von ihrer eigenen Bourgeoisie ausgebeutet werden. Das gilt aber nicht allen! Denn das, was sie sich für die Palästinenser:innen wünschen – einen eigenen Staat – wollen sie zugleich allen Jüdinnen und Juden verwehren. Ihren eigenen Antisemitismus und den ihres erwählten revolutionären Subjekts wollen die Antiimperialist:innen nicht sehen und müssen ihn so vehement leugnen. Wer sind nun diese antiimperialistischen Gruppen in Leipzig? Die Kommunistische Organisation – kurz KO – verherrlicht seit ihrer Gründung 2018 die DDR und bezeichnet sie als ihren Staat. Neben Lobreden auf Stalin und ihrer Verteidigung der stalinistischen Verbrechen schwärmte eines ihrer Mitglieder in einem öffentlichen Chat auch vom Gulag-System als humanistische Lösung für Konterrevolutionäre. Was die KO mit ihren Gegner:innen machen würde, wenn sie denn könnte, kann man sich denken. Als wäre dieser widerliche Dreck nicht schon zynisch genug, überbieten sich nach einer Spaltung im Jahr 2022 gleich zwei Kommunistische Organisationen gegenseitig mit Menschenverachtung und Antisemitismus. Während die eine Fraktion sich in Täter-Opfer-Umkehr übt und Israel als Terrorist bezeichnet,2 betont das andere KO-Spaltprodukt, dass die Hamas „Teil des palästinensischen Widerstands“ sei und nicht „antisemitisch oder islamistisch“.3 Die letzte Aussage ist zugleich eine dumme und dreiste Lüge. Schon ein einziger Blick in das Programm der Hamas hätte ihnen gezeigt, dass die Terroristen nicht nur Israel vernichten, sondern generell Juden töten wollen und sich dabei auf den Islam berufen.4 Momentan sind es jedoch die Tarnorganisationen des Kommunistischen Aufbaus und assoziierte Gruppen, die vor allem junge Menschen zu sich locken. Dazu gehören die Internationale Jugend, das Frauenkollektiv und das Solidaritätsnetzwerk, die unter der Bezeichnung „Föderation klassenkämpferischer Organisationen“ – kurz FKO – zusammen auftreten. In diesen Gruppen gibt es neben vielen personellen Überschneidungen auch inhaltlich eine fast vollständige Übereinstimmung. Die antisemitischen Hassposts der einen Gruppe teilt stets auch mindestens eine andere KA-Organisation in den sozialen Medien. Seit neuestem ist auch die Gruppe Studierendenkollektiv in Leipzig aktiv, die zu FKO und KA gezählt werden kann. Diese nur scheinbar basisdemokratische und vermeintlich unabhängige Gruppe hetzt gegen Israel und teilt fleißig die Beiträge der anderen KA-Tarngruppen. Die Gruppen Zora und Young Struggle sind eng mit der KA verbunden und äußern ihren Antisemitismus noch deutlicher. In einem Blog-Beitrag mit dem Titel „Für den kompromisslosen Widerstand des palästinensischen Volkes!“5 schreibt die Gruppe Zora in schwärmerischem Ton über die Pogrome vom 7. Oktober: „Das ist kein Terrorismus, das ist Widerstand, das ist Selbstverteidigung!“ Die Hamas ist ihnen zufolge zwar reaktionär, doch verliere der Angriff auf Israel dadurch nicht seine Legitimität. Egal ob KA, FKO, Zora oder Young Struggle, sie alle verharmlosen die Massaker an Israelis, diffamieren Israels Selbstverteidigung aber stets wortreich als Kriegsverbrechen oder Völkermord. Auch die Lüge des Hamas-Gesundheitsministeriums, Israel habe ein Krankenhaus bombardiert, wurde in KA-Kreisen lauthals verkündet.6 Als klar war, dass es eine fehlgeleitete Rakete der palästinensischen Terroristen war, war davon kein Wort zu hören. Das die Terrororganisationen für den Tod vieler Zivilist:innen in Gaza verantwortlich ist, klammern die Antiimps bewusst aus. Das zeigt, wie ernstzunehmend ihre angebliche Sorge um die Menschen im Gaza-Streifen ist. Mit denen ist man beim KA und Konsorten immer nur dann solidarisch, wenn man auch gegen Israel hetzen kann. Auch ihre nachgeschobenen, halbherzigen Distanzierungsversuche können ihren Antisemitismus nicht mehr verdecken. Während sie genau diesen Hass mit ihrer antizionistischen Agitation befeuern, geben sich die autoritär-kommunistischen Gruppen nach außen zwar betroffen, wenn jüdische Einrichtungen und Personen in Deutschland angegriffen werden – geschieht dies jedoch in Israel, bezeichnen K-Gruppen es als Befreiungskampf. Indem sie Israel als Apartheidsstaat verunglimpfen und dämonisieren, greifen sie eben auch den einzigen Ort an, der Jüdinnen und Juden Schutz vor antisemitischer Verfolgung bieten kann.
Eine radikale Linke, die Gruppen mit solchen antisemitischen Positionen teilweise auf Veranstaltungen einlädt, diese auf ihren Demos toleriert oder ihren Hass unwidersprochen stehen lässt, verliert ihren emanzipatorischen Anspruch und unterzeichnet damit die Bankrotterklärung ihrer eigenen Theorie. Antifa heißt Solidarität mit Israel!

1 zora_leipzig sowie youngstruggle_leipzig Intagram-Post am 10.10.2023.
2 https://kommunistische.org/stellungnahmen/der-terrorist-heisst-israel/
3 https://kommunistische-organisation.de/artikel/steht-auf-gegen-das-verbot-von-samidoun-schande-ueber-den- verrat-der-roten-hilfe-stand-up-against-the-ban-on-samidoun-shame-on-the-betrayal-of-red-aid/
4 https://www.kritiknetz.de/images/stories/texte/charta%20der%20hamas.pdf
5 https://zora-online.org/2023/10/10/fur-den-kompromisslosen-widerstand-des-palastinensischen-volkes/
6 youngstruggle_leipzig Instagram-Post vom 17.10.2023

Redebeitrag Jugend gegen Rechts Leipzig: Mythos Nakba

Folgender Redebeitrag wurde auf unserer ersten Bündniskundgebung im Mai 2023 von Jugend gegen Rechts Leipzig gehalten:

Die Staatsgründung Israels wird häufig mit antisemitischen, antizionistischen Erzählungen verknüpft. Diese Erklärungsmuster sind nicht nur kennzeichnend für eine pro-palästinensische Bewegung, sondern ziehen sich milieuübergreifend durch die gesamte Gesellschaft. Viele Menschen vertreten die Annahme, der jüdische Staat habe die arabischen Palästinenser*innen ihrer Heimat beraubt und diese vertrieben.
Die Staatsgründung Israels am 14. Mai 1948 wird im palästinensischen Narrativ demnach als “Nakba” bezeichnet, als “Katastrophe”. Mit der Gründung des jüdischen Staates seien sogenannte “ethnische Säuberungen” eingeleitet worden, die für die Flucht und Vertreibung von rund 700 000 arabischen Palästinenser*innen verantwortlich gemacht werden. Der Nakba Tag steht somit auch heute noch für einen pro-palästinensischen anti-zionistischen Widerstand gegen einen jüdischen Staat und delegitimiert diesen eben dadurch. Kennzeichnend für die Verbreitung dieser Erzählung ist unter anderem die Ausstellung “Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948” des Flüchtlingskinder im Libanon e.V. Seit vielen Jahren wird hier mit großem Erfolg eine geschichtsrevidierende Darstellung des Prozesses der Staatsgründung weltweit an mehr als 175 Orten verbreitet. Für die Kriegshandlungen, die auf die Staatsgründung Israels folgten, werden in dieser Darstellung dabei ausschließlich angebliche Agressionen der Zionist*innen verantwortlich gemacht. Auch morgen wird diese Ausstellung sicher nicht zufällig 75 Jahre nach der Staatsgründung Israels erneut an der Philipps-Universität in Marburg eröffnet.

Aber werfen wir einen Blick in die Geschichte: Am 29. November 1947 stimmte die UN-Generalversammlung für die Resolution 181, die eine Teilung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Staat, sowie eine internationale Verwaltung der Religiösen Stätten Jerusalem und Betlehem vorsah. Der Teilungsbeschluss basierte vor allem auf der Erkenntnis, dass territoriale Ansprüche der Araber*innen und Jüd*innen unvereinbar und die Teilung in zwei getrennte Staaten somit unabdingbar waren. Vor dem Hintergrund des aufblühenden Antisemitismus bishin zur industriellen Massenvernichtung von Jüd*innen durch die Nationalsozialisten zeigte sich die Notwendigkeit eines jüdischen Staates als weltweit einziger Schutzraum. Während der Beschluss von dem Jishuv anerkannt wurde, lehnte die arabische Seite den für sie vorgesehenen Staat ab. “Kein jüdischen Staat auf arabischen Boden” hieß es. Unmittelbar nach dem UN-Beschluss folgten Ausschreitungen von arabischer Seite, sowie eine Blockade Jerusalems.

Nachdem das britische Mandat über das Gebiet Palästina auslief, erklärte der zukünftige Ministerpräsident David Ben-Gurion Israel am 14. Mai 1948 für unabhängig. Der jüdische Staat war gegründet. Unmittelbar darauf erklärten die Nachbarländer Ägypten, Syrien, Libanon, Irak und Transjordanien Israel den Krieg. Durch die abgeschnittene Versorgung und Belagerung jüdischer Siedlungen ergab sich für die israelischen Streitkräfte die Notwendigkeit, jene Gebiete unter Kontrolle zu bringen, die im UN-Teilungsplan dem jüdischen Staat zugeschrieben worden waren. Israel gelang es, die arabischen Armeen zu schlagen und sein Existenzrecht zu verteidigen.
Fakt ist, der Krieg, der von 1947-1949 andauerte, wurde von arabischer Seite begonnen und nicht von dem neu gegründeten jüdischen Staat.

Im Zuge des Krieges und der vorangegangenen Ausschreitungen haben rund 700 000 arabische Palästinenser*innen israelische Gebiete verlassen und mussten fliehen. Doch anders als behauptet, wurde nur ein kleiner Teil von ihnen gewaltsam vertrieben.
Die Zahl der tatsächlichen Vertreibungen wird von Antizionist*innen höher gesetzt und instrumentalisiert. Was hier “ethnische Säuberung” genannt wird, geht auf den “Plan D” oder “DALET” zurück, welcher jedoch lediglich als militärstrategische Grundlage für Grenzverteidigungen dienen sollte und kein “Masterplan” für systematische Vertreibungen vorsah. Die Palästinenser*innen verließen ihre Häuser aus ganz verschiedenen Gründen. Zum einen wurde das Leben auf jüdischem Gebiet aus arabischer Sicht als Verrat angesehen. Zum anderen wurden jüdische Racheakte für die Progrome in den 30er Jahren befürchtet. Die meisten flüchteten jedoch infolge von Kriegshandlungen und teilweise auf Geheiß der arabischen Staaten, die ihnen eine Rückkehr nach der Zerschlagung Israels versprachen. Palästinensiche Araber*innen begaben sich in die Sicherheit der benachbarten arabischen Länder.
Die traumatischen Erfahrungen, die mit dem Verlassen eines Lebensraumes, den Menschen als ihre Heimat betrachten, einhergehen, sollen hierbei keinesfalls geleugnet werden.

Es wird viel über das Leid von palästinensischen Geflüchteten geredet im Vergleich dazu aber kaum über das der jüdischen. Fast die gesamte jüdische Bevölkerung aus den arabischen Staaten wurde 1948/49 vertrieben. Schon in den Jahren zuvor waren Angriffe auf Jüd*innen Alltag.
Die jüdischen Vertriebenen durften kaum Besitz mitnehmen und erhielten auch im Nachhinein keine Entschädigung von den arabischen Staaten. Ca. 71% der rund 820.000 jüdischen Geflüchteten erhielten in Israel eine neue Heimat und die israelische Staatsbürgerschaft.
Im Gegensatz zu den jüdischen Geflüchteten waren die palästinensischen ein internationales Thema. So wurde eine Hilfsorganisation, das heutige UNRWA ausschließlich für palästinensische Geflüchtete gegründet, wohingegen für alle anderen Geflüchteten weltweit der UNHCR zuständig ist. Weltweit einmalig ist auch das Rückkehrrecht, auf das sich die Palästinenser*innen berufen. Der Flüchtlingsstatus wird dabei von Generation zu Generation weitervererbt. So wurden aus den etwa 700.000 Menschen, die Israel während des Staatsgründungsprozesses verließen, über fünfeinhalb Millionen palästinensische Flüchtlinge, von denen die weitaus meisten das Land, für das ihr „Rückkehrecht“ gefordert wird, noch nie gesehen haben. Wenn sich Israel auf diese Forderung einlassen würde, würden Jüd*innen in Israel nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit darstellen und ihr Schutz wäre somit in Gefahr.
Hätten die Vertreter*innen der arabischen Staaten den UN-Teilungsbeschluss damals angenommen, hätte sich keine Notwendigkeit zur Flucht ergeben.
Nicht die Staatsgründung Israels ist also für dieses Problem verantwortlich, sondern der daraufhin von den arabischen Staaten begonnene Krieg.

Wie wir gesehen haben, wird durch den Begriff „Nakba“ und die dahinterstehende geschichtsrevidierende Wahrnehmung der Staatsgründung Israels eine anti-zionistische und damit einhergehend auch notwendig antisemitische Meinung propagiert. Hierdurch entsteht ein verzehrter Diskurs, in dem durch die Dämonisierung israelischer Geschichte gegen Jüd*innen gehetzt wird.
Auch hier in Leipzig organisiert die antisemitische Gruppe Handala in der kommenden Woche mehrere Veranstaltungen mit Nakba-Bezug. Das wollen wir nicht unwidersprochen hinnehmen.
Wir stehen heute hier, um uns solidarisch mit Israel zu zeigen. Das Existenzrecht eines jüdischen Staates bleibt unabdingbar und dessen Selbstverteidigung legitim. Der Mythos Nakba muss aufgeklärt werden. Gegen jeden Antisemitismus.

Redebeitrag Ladenschlussbündnis

Folgender Redebeitrag wurde im Mai 2023 auf unserer ersten Bündniskundgebung von Ladenschluss. Aktionsbündnis gegen Neonazis gehalten:

Dass Antisemitismus in Teilen der radikalen Linken weit verbreitet ist dürfte nach den Interventionen der letzten 30 Jahre hoffentlich allen bewusst sein. Dabei fehlte jedoch weitgehend die kritische Auseinandersetzung mit dessen Rolle als Bindeglied mit unterschiedlichsten regressiven Bewegungen. Dass Antisemitismus immer wieder auch Berührungspunkt zwischen sich als links verstehenden Projekten und der extremen Rechten war, wird innerhalb linker Bewegungen gern unter den Tisch fallen lassen. Wir wollen hier nachhelfen und einen kurzen historischen Überblick geben.

Bereits am deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt bekam der nach außen getragene Antifaschismus der UdSSR und der Komintern Risse, wurde der Antifaschismus hier doch geopolitischen Interessen untergeordnet. Selbstverständlich darf bei dieser Kritik nicht unterschlagen werden, dass die Rote Armee die meisten Toten im Kampf gegen den Nationalsozialismus zu beklagen hatte, und doch war der Hitler-Stalin-Pakt eine von vielen historischen Zäsuren, die progressive Kommunist:innen zur Abkehr vom sowjetischen Gesellschaftsentwurf bewegten.

In den 1950ern wurden antisemitische Politiken im sowjetischen Einflussbereich noch deutlicher sichtbar: eine Reihe von oft antisemitisch gefärbten Schauprozessen, angefangen bei den Moskauer Ärzteprozessen, über den Prozess gegen Noel Field in Ungarn hin zum Prozess gegen Rudolf Slansky in Prag, dem größten dieser Schauprozesse, zeigte, dass sich die Hoffnung nach universeller Emanzipation unter dem Roten Stern vorerst nicht realisieren wird.

Springen wir einige Jahrzehnte nach vorne: Im Zuge der sowjetischen Nahost-Politik, die sich vor allem in einem Buhlen um die Gunst der arabischen Staaten vor der Folie der Blockkonfrontation abspielte, wurde der antisemitische Charakter der antizionistischen Politik im sowjetischen Einflussbereich ab den 1970ern noch deutlicher: nicht nur wurde der Begriff des Holocaust mal eben so umgedeutet, dass er „für den millionenfachen Mord an Juden in den Todeslagern des Hitlerfaschismus und neuerdings für den Ausrottungsfeldzug Israels gegen das palästinensische Volk“ gebraucht wurde, der Fall Odfried Hepp zeigt auch, wie Instrumentell der DDR-Antifaschismus in mancherlei Momenten werden konnte.

Odfried Hepp gilt als eine der Schlüsselfiguren des Westdeutschen Rechtsterrorismus der 1980er Jahre: er wurde als Mitglied der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ geführt, die für das Oktoberfestattentat in München und den antisemitischen Doppelmord an Shlomo Lewin und Frida Poeschke im Jahr 1980 verantwortlich war. 1982 begann der Kontakt zwischen Hepp und dem Ministerium für Staatssicherheit, der, wegen des bürokratischen Charakters der Stasi recht gut dokumentiert ist. Der bekennende Antiimperialist Hepp informierte das MfS dabei über die interne Struktur seiner terroristischen Gruppe, wie auch deren Pläne für Anschläge auf US-Amerikanische Einrichtungen. Dafür stellte das MfS nicht nur Kontakte zu PLO, der Palestinian Liberation Organization her, für die Hepp daraufhin auch arbeitete, die Stasi half ihm 1983 auch bei der Flucht nach Syrien.

Im übrigen geht aus diesen Akten auch hervor, dass es Pläne zur Kooperation der Hepp-Kexel Gruppe mit der RAF gab, deren Führungsriege „grundsätzlich keine Einwände“ hatte, eine Zusammenarbeit wegen des Fahndungsdrucks aber nicht möglich sei. Dies dürfte noch einmal unterstreichen, dass die Verbindende Rolle, die Anti-Amerikanismus und Antizionismus für diese Unheilvollen Allianzen spielten nicht zu unterschätzen ist.

Aber zurück zur Stasi. Neben der Zusammenarbeit mit Hepp überwachte das MfS auch einige Prominente Neonazis der 1980er: zu Arnulf Priem und Manfred Roeder gibt es auch Aktenbestände, die deren Überwachung durch die Stasi belegen – auch wenn das MfS in beiden Fällen nie tätig wurde weil keine Bedrohung der DDR festgestellt wurde. Mit Blick auf den DDR-Antifaschismus kommt Samuel Salzborn in der Auseinandersetzung mit diesen Drei Fällen zu folgendem Schluss: „Das MfS empfand offensichtlich nicht den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus als zentral, sondern in Fällen, die opportun erschienen und bei denen man aufgrund des eigenen Antisemitismus und des eigenen Antiamerikanismus hohe weltanschauliche Übereinstimmungen zu den westdeutschen Nazi-Terroristen ausmachte, wurde sogar über Jahre hinweg der Rechtsterrorismus aktiv unterstützt.“ Der Umgang mit NS-Tätern wie Josef Settnik, einem Aufseher in Auschwitz, der als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi eingesetzt wurde, Johannes Adam, einem ehemaligen Wachmann in Auschwitz, der trotz des Wissens um seine Täterschaft eine Professur an der Uni Halle erhielt oder Hans Christoph-Hempel, der an den Euthanasie-Morden an der Leipziger Kinderklinik beteiligt war und nach Karl-Marx-Stadt versetzt wurde als das MfS dies herausfand zeigt wie lapidar der Umgang mit vielen NS-Tätern im vermeintlich antifaschistischen Staat doch war.

Doch springen wir ins heute: Denn Antiamerikanismus und Antisemitismus können immer noch als Bindeglied zwischen autoritären Kommunist:innen, Anti-Imperialist:innen und Rechten Bewegungen gefunden werden. Sei es nun Hassan El-Kassem, der von der Berliner Gruppe FOR Palestine in den Vorstand der Jungen Alternative wechselte, der Rapper Makss Damage, der die Wende vom Stalinisten zum Neonazis vollzog, die Rot Jugend Aachen, die ehemalige Kader der Partei „Die Rechte“ bei sich aufnahm, die das NS-Reenactment durch Sowjetcosplay ersetzen und dabei weiterhin antisemitische Propaganda verbreiten, oder der Rapper Taktikka, der bei Instagram auch gerne Bilder von Neonazis liket die „Hitler“-Shirts tragen. Auch der Berliner Jugendwiderstand, von dem glücklicherweise lange nichts mehr zu hören war, nahm Kader aus NPD und Kameradschaftsstrukturen bei sich auf.

Eine Linke, die es also ernst mit dem Antifaschismus meint und diesen nicht nur als eine Worthülse vor sich herträgt sollte sich also auch selbstkritisch mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen. Sowjetcosplay, das vor den Schablonen des letzten Jahrhunders stattfindet ist dabei kaum mehr als der Versuch, die Überforderung mit der Moderne mit einfachen Mustern von Gut und Böse zu kompensieren und sich in eine idealisierte Vergangenheit zu flüchten. Lasst uns lieber gemeinsam um progressive Gesellschaftsentwürfe im hier und jetzt streiten anstatt uns in Retrotopien von links zu verlieren und dabei die Interventionen der letzten Jahrzehnte nicht vergessen.

Redebeitrag Utopie und Praxis Leipzig: Kritik regressiver Kapitalismuskritik

Folgender Redebeitrag wurde bei unserer ersten Bündniskundgebung im Mai 2023 von Utopie und Praxis Leipzig gehalten:

Kapitalismus ist irgendwie scheiße. Die bauchlinke Kapitalismus“kritik“, sie begegnet uns in Kneipengesprächen oder auf Social Media und ist sicher oftmals kein schlechter Ausgangspunkt. Aber eben nur, wenn man dieses diffuse Verständnis als Anlass nimmt, sich tiefergehend kritisch mit dem Kapitalismus, der Kritik an Ware, Wert, Arbeit und Kapital auseinanderzusetzen. Warum nicht jede Ablehnung des Kapitalismus automatisch ein guter Minimalkonsens ist und was der Unterschied zwischen tatsächlicher Kapitalismuskritik und Ressentiment ist, welches schnell zu antisemitischen Welterklärungsmustern führen kann, wollen wir im folgenden Redebeitrag erläutern. Denn falsche Kritik an den bestehenden Verhältnissen ist nicht besser als das Bestehende, sondern kann sogar einen Rückschritt bedeuten. Diese Position gilt es mit Blick auf den Antisemitismus, der uns auch in der Linken begegnet, zu unterstreichen.
Eine progressive Überwindung des Kapitalismus ist aus unserer Sicht nur möglich durch eine Analyse der Verhältnisse, welche das System und nicht die Vertreter*innen im Fokus hat. Außerdem muss eine Auseinandersetzung mit vergangenen wie gegenwärtigen Kapitalismuskritiken erfolgen. Nur durch ein Bewusstsein gegenüber rückschrittlichen Tendenzen in Teilen einer irgendwie-linken Bewegung kann eine Perspektive für eine bessere Zukunft entwickelt werden.
Die regressive Spielart des Antikapitalismus, wie sie uns häufig von links begegnet, neigt dazu, Ware, Wert und Arbeit als natürliche Phänomene zu betrachten. Die (in Anführungszeichen) “ehrliche” warenproduzierende und wertschaffende Arbeit wird als positiver Gegenpol zur Aneignung des Mehrwerts (vereinfacht gesagt/also: des Gewinns, den die Lohnabhängigen erwirtschaftet haben) durch die Kapitalist*innen gesehen.
Die Kritik verharrt in dem Zusammenhang also auf der Ebene, dass die ehrlich Arbeitenden mehr Geld bekommen würden, wenn es nur nicht die gierigen Kapitalist*innen gäbe, die die Menschen, wahlweise das Volk, ausbeuteten. Eine Kritik daran, dass Menschen gezwungen sind, ihre Arbeitskraft als Ware zu verkaufen und somit ausgebeutet werden, bleibt aus. Stattdessen wird das Feindbild des “Finanzkapitals” konstruiert, das angeblich vom “normalen Kapital” unterschieden werden könnte. So ist der Weg nicht mehr weit zum Mythos einer Schattenmacht global agierender “Bankster”, welche die Arbeiter*innen betrügen und die Fäden im Hintergrund in der Hand halten. Politiker*innen fungieren in diesen Erzählungen oft als Marionetten.
Für das nicht-eingelöste Glücksversprechen des Kapitalismus wurden und werden also die sogenannten Kapitalist*innen verantwortlich gemacht – eine Personifizierung abstrakter Verhältnisse. Das passiert in der konkreten Person des Juden, aber kann auch antisemitisch codiert sein, wenn nicht direkt von ihnen gesprochen wird, sondern sich das Ressentiment gegen jüdische Familien wie die Rothschilds oder Rockefellers entlädt, die für Ausbeutung und auch sonst alles Elend auf der Welt verantwortlich gemacht werden.

Was wir brauchen ist also eine Kritik des Kapitals und nicht eine an Kapitalist*innen. Kritik an letzteren ist nicht ansatzweise ausreichend, sondern es muss Gegenstand der Kritik werden, dass überhaupt Menschen, vermittelt über ihre Arbeitskraft, zur Ware werden.

Wir wollen selbstbestimmt tätig sein oder eben auch mal nicht. Aktuell können Menschen nicht darüber entscheiden, was sie brauchen und wollen, sondern nur, was sie sich leisten können. Das stellt den Zwang zum Verkauf der eigenen Arbeitskraft dar. Die Gegnerschaft zum Arbeitszwang bedeutet dabei nicht, die Notwendigkeit menschlicher Tätigkeit zu negieren.

Des Weiteren führt der unkritische Bezug auf Arbeit in der Linken zu einer Überschätzung des fortschrittlichen Potentials der Arbeiter*innenklasse. Das Sprechen von der guten Arbeiter*innenklasse – das essentialisierende Mantra roter Gruppen – lässt sich nicht an den historischen Fakten halten. Aus dem Ausbeutungsverhältnis erfolgt nicht automatisch die Erkenntnis über die Notwendigkeit der Abschaffung des Kapitalismus und das Eintreten für die befreite, also klassenlose Gesellschaft. Die überproportional hohe Zustimmung zur AfD unter Gewerkschafter*innen ist nur ein Beispiel für diesen Befund.
Und dass Antisemitismus eine einfache Antwort war, die von weiten Teilen der Bevölkerung mitgetragen wurde und sich die Arbeiter*innenklasse nicht geschlossen gegen den Nationalsozialismus stellte, zeigte Auschwitz in letzter Konsequenz.
Auf Grundlage von solchen und weiteren Analysen ist unser Ziel daher, den Wunsch nach einem besseren, dem schönen, dem befreiten Leben wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Die gefühlte Ohnmacht gegenüber dem Bestehenden soll nicht mit “sich ergeben” oder verkürzter Kritik und damit einhergehenden antisemitischen Ressentiments beantwortet werden. Das war, ist und bleibt immer falsch!
Deswegen gilt: Für den Kommunismus, für die befreite Gesellschaft – gegen jeden Antisemitismus!