Folgender Redebeitrag wurde von der Fantifa Leipzig am 19.11.2023 auf unserer Demonstration „Jetzt erst recht – gegen den antisemitischen Normalzustand“ gehalten:
Der Überfall der Hamas auf israelische Zivilist*innen am 7. Oktober markiert den Anfang des größten Progroms an jüdischem Leben nach der Shoa. Wir haben erschreckende Bilder und Videos gesehen, haben getrauert und mitgefühlt, waren schockiert und wütend. Wütend, weil nach dem Überfall der terroristischen Hamas viele feministische Stimmen verstummt sind.
Wütend, weil nach dem 7. Oktober wieder Stimmen laut geworden sind, die ihren zerstörerischen Antisemitismus unverholen äußern, ihn auf die Straße getragen haben und das auch konnten.
Als feministische und antifaschistische Gruppe fragen wir uns:
wie kann es sein, dass nach dem 7 Oktober ein feministischer Aufschrei fast vollständig ausblieb?
Wo sind all die feministischen Stimmen, die die Hamas und ihre Unterstützer als misogyne und antifeministische Terrorbande bezeichnen und sie verurteilen,
die sich klar und unmissverständlich solidarisch mit Israel zeigen
und die dessen Recht auf Selbstverteidigung betonen?
Uns quält die Einsicht, dass der Feminismus nach Jahrzehnten der Theoriebildung ein immer noch ganz schön großes Antisemitismusproblem hat.
Wir prangern all jene feminsitischen Strukturen und all jene Feminist*innen an, die sich eigentlich dem Kampf für eine emanzipierte und befreite Gesellschaft verschrieben haben, den Kampf gegen jeden Antisemitismus aber konsequent ausklammern.
Ihr, die am lautesten jin jian azadi ruft,
aber den Überfall der Hamas als verquerte Palästina-Solidarität legitimiert.
Ihr, die immmer wieder von safer spaces redet aber Israel nicht als notwendigen Schutzraum anerkennt.
Ihr, die von einem befreiten Leben für alle Frauen und Queers redet
aber Israel des Pinkwashing bezichtigt.
Schämt euch.
Merle Stöver beschreibt Anhand des Chicago Dyke March von 2017 das Phänomen,
welches sie als eine Fusion zwischen queerfeministischen und antirassistischen Bewegungen beschreibt:
Die Suche nach gemeinsamen Feindbildern
und die Setzung Israels, als „übermächtigen weißen Fremdkörper“,
sowie die Erklärung Israels als „Kolonialmacht im nicht-weißen Nahen Osten“
Der Zionismus, so Stöver, werde als Konzept weißer Übermacht gesetzt.
Vor dem Hintergrund eines antikolonialen Standpunktes
und entgegen der weltgeschichtlichen Entwicklung wird Israel zum Staat,
der bekämpft werden muss.
Während Bilder von vergewaltigten, misshandelten und bloßgestellten Frauen im Netz kursierten und weiterhin der angebliche „befreiungskampf Palästinas“ gefeiert wurde, war sehr eindrücklich zu sehen, wie Kriege am weiblichen Körper ausgetragen werden.
Die radikal islamistische Terrorgruppe Hamas hat gezielt
vergewaltigte und ermordete Frauenkörper als kriegerische Trophäen inszeniert.
Eine Bloßstellung, Entwürdigung und Entmenschlichung von Frauen, bei der uns die Kotze im Hals stecken bleibt.
Selbst eine derartig ekelhafte Inszenierung von sexualisierter Gewalt, war kein Grund für Menschen, die sich den Feminismus sonst groß auf die Fahne schreiben,
diese Taten klar zu verurteilen.
Dass der Angriff und dessen Folgen, sowie deren Zurschaustellung, klar antisemitisch und zutiefst misogyn sind, scheint, wenn überhaupt, nebensächlich.
Feministisch ist man dann doch nur, wenn es gerade nicht um jüdisches Leben oder Israel geht, wenn es zufällig ganz gut in die eigene Auffassung von Intersektionalität passt oder natürlich zu Holocaust-Gedenktagen.
Eine Solidarisierung mit dem sog. „Befreiungskampf“ ist schlicht eine Solidarisierung mit einer islamistischen, misogynen und queerfeindlichen Terrorgruppe und ihrem Netzwerk in Iran, Libanon oder Syrien.
Auch unzählige Palästinenser:innen leiden täglich unter den Auswirkungen dieser islamistischen Herrschaft.
Wie man sich als Frau oder als queere Person hinter eine derart regressive Organisation stellen kann, ist uns unbegreiflich.
Während Israel der einzige Staat im Nahen Osten ist, in welchem es überhaupt erlaubt ist, queer zu sein, wird Israel mit unsinnigen und perfiden Vorwürfen des Homonationalismus und des Pinkwashings konfrontiert.
Für die Vorreiter*innen der queer theory und die treusten Verbündeten der BDS Kampagne, wie Jaspir Puar und Angela Davis, sei die liberale Politik Israels im Hinblick auf die Gesetzgebung der Rechte für LGBTQIA+ Personen Vorwand und Täuschung einer imperialistischen Agenda.
Israels Politik und gesellschaftliche Akzeptanz für queere Menschen sei eine Herrschaftsstrategie, die die arabischen und muslimischen Communities als das Andere setze, um so den homophoben Muslim zu konstruieren.
Der jahrzehntelange Kampf israelischer Queers für ihre Rechte, sowie das Freiheitsbegehren der palästinensischen Queers wird damit nicht nur ausgeblendet, sondern auch delegitimiert. Zudem werden Kulturen und Gesellschaften vereinheitlicht und Widersprüche und Konflikte, die innerhalb dieser stattfinden ausgeblendet.
Während das kollektive Recht auf nationale Selbstbestimmung übermäßig betont wird,
fallen die individuellen Rechte, auf bspw. sexuelle Selbstbestimmung, dahinter zurück.
Wie Max Horkheimer einmal schrieb, ist aber „die Souveränität eines Landes … etwas anderes als die Freiheit derer, die in ihm leben“.
Mit der feministischen Befreiungsbewegung gegen das iranische Mullah-Regime wurde sich auch von feministischen Bewegungen in Deutschland solidarisiert. Eine Bewegung – eine Revolution – GEGEN die Regierung im Iran.
Eine Regierung, welche IS-Terrororganisationen unterstützt,
Frauenrechte einschränkt und Homosexualität mit der Todesstrafe bestraft.
Das der Iran zu den größten Unterstützern der Hamas und des islamistischen Djihads gehört,ist schon lange bewiesen.
So werden Waffenlieferungen und Wissen an die Terrororganisation gegeben,um den eliminatorischen Hass auf Israel auch materiell zu unterfüttern.
Es sollte ein feministisches Anliegen sein, die nach Freiheit strebenden Kämpfe der Frauen im Iran weiterhin zu unterstützen und sich mit ihnen zu solidarisieren. Für uns ist es unverständlich, dass sog. Feminist*innen sich zum einen auf die Seite der Kämpfe im Iran stellen und zum anderen ein Palästina „from the river to the sea“ proklamieren. So scheint die Vernichtung Israels hinter den feministischen Anliegen zurücktreten zu müssen, unabhängig davon mit wem man sich da gerade eigentlich verbündet.
So schreibt die feministische Gruppe Zora aus Leipzig auf ihrem Blog: „Es stimmt, dass die Hamas eine fundamentalistische Struktur ist, die auch keine Ansprüche erhebt, Frauen von patriarchaler Unterdrückung und Ausbeutung zu befreien. […] Nichtsdestotrotz stellt das israelische Regime die größere Last dar.“
Die heuchlerischen Abgrenzungsversuche der Gruppe enden immer wieder in einer Täter-Opfer- Umkehr und einer Relativierung und Legitimierung der Hamas.
Der Drang von Frauen nach Freiheit, nach sexueller Selbstbestimmung und ihr Anspruch auf die fundamentalen Frauenrechte ist aber nichts, was vom „Westen“ kommt, er ist universell.
Frauen Leben Freiheit. Im Iran, in Israel und in Gaza. Dort wo islamistischer Fundamentalismus regiert und dort wo islamistischer Fundamentalismus Angriffe verübt, kann es keine befreite Gesellschaft geben. Wir fordern Solidarität mit Israel und die Befreiung Gazas von der Hamas. Gegen Islamismus, Antifeminismus und gegen Antisemitismus.
Wir wollen mit den Worten von Letty Cottin Progrebin enden: Meiner Ansicht nach, ist der Zionismus für Juden und Jüdinnen das, was Feminismus für Frauen ist- ein kontinuierlicher Kampf für Selbstbestimmung, Würde und Gerechtigkeit.